Europarecht
Rechtsinfo Archiv

Zurück

Europarecht
Gerichtsstand für Streitigkeiten aus Verträgen mit der Europäischen Union

In drei von uns vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt geführten Verfahren hat das Verwaltungsgericht Frankfurt dem Europäischen Gerichtshof Fragen zum Gerichtsstand sowie zum anzuwendenden Recht gestellt. Die Vorlagebeschlüsse sind unter dem Aktenzeichen C-80 bis 82/99 beim Europäischen Gerichtshof anhängig.

Inhaltlich geht es um Vergleichsverträge zwischen deutschen Landwirten und Rat und Kommission nach der Verordnung Nr. 2187/93 des Rates. Es handelte sich dabei um Schadensersatzzahlungen, die die EG im Rahmen von Vergleichen an deutsche Milcherzeuger zu leisten hatte. Im Rahmen dieser Verträge sind nach Abschluß der Vergleichsverträge Zweifel daran aufgetreten, ob die im Vergleich zugesagte Entschädigungssumme tatsächlich zutreffend errechnet worden ist. Daraufhin hat die deutsche Behörde die Auszahlung der Vergleichsbeträge verweigert, so daß die Erzeuger beim Verwaltungsgericht Frankfurt auf Auszahlung gegen die bundesdeutsche Behörde (BLE) geklagt haben. Da die Behörde jedoch nur namens und im Auftrag von Rat und Kommission der EG tätig geworden war, stellte das Verwaltungsgericht die Frage, welcher Rechtsweg für eine solche Klage gegeben sei. Mangels Schiedsabrede im Sinne von Art. 181 EG-Vertrag stellt sich das Verwaltungsgericht die Frage, ob auf die Streitigkeit Art. 215 Abs. 1 oder Art. 215 Abs. 2 EG-Vertrag Anwendung findet. Nach Meinung des Verwaltungsgerichts ist eine eindeutige Zuständigkeit des Europäischen Gerichts erster Instanz nicht gegeben. Dann sei aber nach Art. 183 EG-Vertrag die Zuständigkeit der einzelstaatlichen Gerichte gegeben.

Um einen Fall von Art. 215 Abs. 2 i.V.m. Art. 178 EG-Vertrag handele es sich deshalb nicht, weil die außervertragliche Haftung nach Art. 215 Abs. 2 EG-Vertrag durch den zwischen Rat und Kommission und dem Milcherzeuger abgeschlossenen Vergleichsvertrag in eine vertragliche Haftung umgewandelt worden sei.

Die Frage des Gerichtsstandes sei im vorliegenden Fall jedoch deshalb vom Europäischen Gerichtshof zu entscheiden, weil durch ein Urteil des Gerichts erster Instanz vom 24.09.98 in der Rechtssache T- 112/95 Peter Dethlefs u.a. gegen Rat und der Europäischen Union und Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Zuständigkeit des Europäischen Gerichts erster Instanz in einem ähnlich gelagerten Fall bejaht worden war. In diesem Verfahren Dethlefs hat-ten wir ebenfalls die Kläger vertreten.

Für den Fall, daß der Europäische Gerichtshof die Zuständigkeit des nationalen Gerichts annehmen sollte, fragt das Verwaltungsgericht Frankfurt weiter an, welches Recht dann auf den Rücktritt von den streitigen Verträgen Anwendung findet. In Frage kommt einerseits das deutsche Verwaltungsverfahrensrecht und andererseits ein – wie auch immer geartetes – europäisches Verfahrensrecht. Da es ein kodifiziertes Verwaltungsverfahrensgesetz der Europäischen Gemeinschaft nicht gibt, käme dann der Rückgriff auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zur Frage des Verfahrensrechts entwickelt worden sind, in Betracht.

Sollte dieses Gemeinschaftsrecht, das aus den Rechtsgrundsätzen sämtlicher Mitgliedstaaten herzuleiten ist, Anwendung finden, so stellt das Verwaltungsgericht weiterhin die Frage, unter welchen Voraussetzungen dann öffentlich-rechtliche Entschädigungsverträge gekündigt werden können.

Die vom Verwaltungsgericht Frankfurt gestellten Fragen ergeben sich unseres Erachtens immer dann, wenn zwischen Rat und Kommission auf der einen Seite und Gemeinschafts-bürgern auf der anderen Seite Entschädigungsverträge auf der Grundlage von Art. 215 EG-Vertrag geschlossen werden, ohne daß eine Schiedsabrede i.S.v. Art. 181 EG-Vertrag gleichzeitig vereinbart wurde.

In dem oben zitierten Urteil Dethlefs des Gerichts erster Instanz hatte das Gericht einer auf einen solchen Vergleich gestützten Klage stattgegeben. Es bleibt abzuwarten, ob der Europäische Gerichtshof ebenfalls die Zuständigkeit der europäischen Gerichte bejahen wird. Für den europäischen Gemeinschaftsbürger wäre es sicherlich sinnvoll, wenn derartige Streitigkeiten vor den nationalen Gerichten ausgetragen werden könnten. Auf der anderen Seite wäre es natürlich wünschenswert, wenn auf Verträge mit den Organgen der Europäischen Gemeinschaft ein einheitliches Recht Anwendung finden könnte. Hierzu wäre dann aber ein einheitliches europäisches Verwaltungsverfahrensrecht notwendig.

Münster, 01.05.1999

Mechtild Düsing, Rechtsanwältin und Notarin