Beamtenrecht

Zurück

Beamtenrecht
Kürzung des Ruhegehaltes aufgrund einer Rente aus einem Versorgungswerk verfassungswidrig?

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat am 06.12.2017 entschieden, dass die im Landesbeamtenversorgungsgesetz von Bayern enthaltene Regelung, wonach Renten, die von einem Versorgungswerk gezahlt werden, unter Umständen zu einer Kürzung des Ruhegehaltes führen können, gegen die Bayerische Landesverfassung verstößt. Diese Entscheidung gilt unmittelbar nur für Ruhestandsbeamte in Bayern. Aufgrund der von dem Gerichtshof formulierten umfassenden Urteilsbegründung hat diese Entscheidung aber auch Auswirkungen auf die Beamtenversorgungsgesetze des Bundes und der übrigen Bundesländer.

Die Beamtenversorgungsgesetze des Bundes und der Bundesländer enthalten jeweils Regelungen für den Fall, dass ein Ruhestandsbeamter neben seinem Ruhegehalt auch noch eine Rente erhält. Diese Rente resultiert regelmäßig aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung vor Übernahme in das Beamtenverhältnis. Zwar verpflichtet das sich aus dem Grundgesetz ergebende Alimentationsprinzip den Dienstherrn, den Beamten und seine Familie lebenslang angemessen zu alimentieren. Dies gilt somit auch für die Zeit des Ruhestandes. Durch die Zahlung des Ruhegehaltes soll der Ruhestandsbeamte in die Lage versetzt werden, in angemessener Weise seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Diese Verpflichtung zur Alimentation ruht aber, wenn der Ruhestandsbeamte aus anderen öffentlichen Kassen Einkünfte erzielt. Hierzu zählen vor allem Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, soweit sie nicht auf einer freiwilligen Zahlung durch den Beamten beruhen.

Auf der anderen Seite ist die Verpflichtung zur Alimentation unabhängig davon, ob und inwieweit der Ruhestandsbeamte seinen Lebensunterhalt aus privatem Vermögen bestreiten kann. Für die Höhe des Ruhegehaltes spielt es somit keine Rolle, ob der Ruhestandsbeamte z. B. Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung oder Zinserträge hat.

Vor dem Hintergrund dieser Grundsätze stellt sich die Frage, wie die Renten, welche Versorgungswerke (beispielsweise der Ärzte) zahlen, einzuordnen sind. Zum einen handelt es sich bei den Versorgungswerken um öffentlich-rechtliche Körperschaften, bei denen für die betroffenen Berufsgruppen eine Pflichtmitgliedschaft besteht. Ihre Leistungen setzen die Versorgungswerke durch Verwaltungsakte fest. Ferner stehen sie nicht in Konkurrenz zu anderen Versicherungen. Dennoch kann nach Auffassung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes hieraus nicht gefolgert werden, dass es sich bei den berufsständischen Versorgungseinrichtungen und der gesetzlichen Rentenversicherung um vergleichbare öffentliche Kassen handelt. Anders als bei der gesetzlichen Rentenversicherung würden die Leistungen der berufsständischen Versorgungseinrichtungen nicht aus laufenden Beiträgen im Wege des Umlageverfahrens mit entsprechenden sozialen Komponenten (z. B. unter Berücksichtigung von Ersatz-, Ausfall- und Zurechnungszeiten, denen keine Beitragszahlungen gegenüberstünden) und auch nicht unter Beteiligung der öffentlichen Hand durch Zuschüsse aus öffentlichen Steuermitteln finanziert. Für die Versorgungskassen gelte vielmehr das Kapitaldeckungsprinzip. Auch der soziale Ausgleich unter den einzelnen Mitgliedern erfolge bei berufsständischen Versorgungseinrichtungen nicht etwa als versicherungsfremde Leistung aus einer Kasse der öffentlichen Hand, sondern ausschließlich aus selbstfinanzierten Beiträgen der Mitglieder bzw. ihrer privaten Arbeitgeber. Darin würden wesentliche strukturelle Unterschiede zur gesetzlichen Rentenversicherung liegen, die eine Einstufung der berufsständischen Versorgungseinrichtungen als öffentliche Kassen verbieten würden.

Habe die öffentliche Hand zum Aufbau der Versorgungsleistungen aus einer berufsständischen Versorgungseinrichtung keine Mittel beigetragen und würden auch finanzielle Risiken von ihr nicht aufgefangen, sei weder eine ungerechtfertigte Überversorgung des Beamten noch die Gefahr von Doppelleistungen aus öffentlichen Mitteln gegeben. Es fehle daher an sachlichen Gründen, die eine Anrechnung dieser Versorgungsleistungen auf die Versorgungsbezüge der Beamten rechtfertigen würden. Folglich würde sich der Dienstherr durch die Anrechnung der zweckidentischen Versorgungsleistungen aus einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, jedenfalls soweit zu deren Aufbau kein öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber einen Finanzierungsbeitrag geleistet habe, in unzulässiger Weise bezüglich eines Teils der erdienten Versorgungsbezüge von seiner Alimentationspflicht entlasten. Aus diesem Grunde hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 06.12.2017 - Vf. 15-VII-13 - die entsprechende Regelung im Bayerischen Landesbeamtenversorgungsgesetz für unwirksam erklärt. Folglich ist in Bayern ab sofort eine Anrechnung von Renten aus Versorgungskassen auf das Ruhegehalt nicht mehr zulässig. Soweit die Anrechnung nicht freiwillig unterbleibt, haben die betroffenen Ruhestandsbeamten die Möglichkeit, unmittelbar einen Antrag auf Abänderung der Bescheide, mit denen die Anrechnung angeordnet worden ist, zu stellen.

Für Ruhestandsbeamte des Bundes und der anderen Bundesländer gilt die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes nicht unmittelbar. Allerdings wirkt die Begründung des Gerichtshofes natürlich über die Grenzen des Bundeslandes Bayern hinaus. Betroffene Ruhestandsbeamte sollten daher überlegen, ob sie gegen die Bescheide, mit denen eine Anrechnung von Renten aus Versorgungskassen angeordnet wird, Rechtsmittel einlegen, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu dieser Rechtsfrage herbeizuführen. Soweit in der Vergangenheit Anrechnungsbescheide ergangen sind, kann vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes eine Abänderung für die Zukunft beantragt werden. Nach Ablehnung durch den Dienstherrn kann dann gegebenenfalls nach Durchführung eines Widerspruchsverfahrens Klage erhoben werden.

Allerdings ist zu beachten, dass dann, wenn eine Anrechnung der Renten aus der Versorgungskasse nicht mehr erfolgt, möglicherweise auch die Zeiten, in denen Beiträge zu den Versorgungskassen gezahlt worden sind, nicht mehr als ruhegehaltsfähige Dienstzeiten anerkannt werden. Es muss somit jeweils im Einzelfall konkret gerechnet werden, welche Auswirkungen dies haben könnte. Betroffene Ruhestandsbeamte sollten sich daher anwaltlich beraten lassen.

<link http: www.meisterernst.de newsletter mdm-newsletter-2018-01.html _blank beamtenrecht>aus Newsletter Beamtenrecht 01/2018

Münster, 17.05.2018

Dr. Frank Schulze, Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht