Beamtenrecht

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Körperliche Eignung - Welche Anforderungen sind an die Eignungsprognose bei der Verbeamtung zu stellen?

Eine Brustvergrößerung bedeutet nicht zwingend, dass eine Bewerberin für den Polizeidienst nicht verbeamtet werden kann (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.03.2018 - 4 B 19.14 - juris). Die Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg, welche zunächst allein aufgrund ihrer nicht alltäglichen Kernfrage für eine erhöhte Medienaufmerksamkeit sorgte, verdeutlicht wieder einmal, dass die Eignung für das Beamtenverhältnis immer eine Entscheidung im Einzelfall ist und nicht nach pauschalen Annahmen zu erfolgen hat.
Maßgeblich für die Ernennung einer Bewerberin oder eines Bewerbers in das Beamtenverhältnis ist die Beantwortung der Fragen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Geeignet in diesem Sinne ist nur, wer dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer und charakterlicher Hinsicht vollständig gewachsen ist. Fehlt es hieran, so kann - unabhängig von der gegebenenfalls unstreitigen fachlichen Eignung - eine Verbeamtung nicht erfolgen.
Im Fall des OVG Berlin-Brandenburg hatte die Behörde die Bewerbung der dortigen Klägerin abgelehnt, weil sie befürchtete, dass die Brustimplantate durch Gewalteinwirkung im Dienst oder Materialermüdung beschädigt werden könnten und deshalb eine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit zu befürchten sei. Diese Einschätzung ergebe sich bereits aus der Anwendung der Polizeidienstvorschrift (PDV 300) "Ärztliche Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit und der Polizeidienstfähigkeit", deren besondere Bestimmungen Erfahrungssätze enthielten und dementsprechend zu erwartende Gesundheitsbeeinträchtigungen generalisierend und typisierend festlegen würden.
Zur Beurteilung der gesundheitlichen Eignung müssen die körperlichen und psychischen Veranlagungen des Bewerbers festgestellt und deren Auswirkung auf sein Leistungsvermögen bestimmt werden. Hierzu muss der Dienstherr eine Prognose anstellen, die eine konkrete einzelfallbezogene Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Bewerbers verlangt und die darauf abstellt, ob der Bewerber voraussichtlich bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der Lage sein wird, Dienst zu leisten oder ob er wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden muss. Im Rahmen dieser Prognoseentscheidung kommt dem jeweiligen Dienstherrn grundsätzlich kein Beurteilungsspielraum zu. Vielmehr ist diese Prognoseentscheidung durch die Verwaltungsgerichte vollständig überprüfbar und diese haben sich an den neuesten medizinischen Entwicklungen und Erkenntnissen im Einzelfall zu orientieren (so bereits, BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 12.11 - juris Rn. 16, 21).
An diesen Maßstäben der Prognoseentscheidung vermögen auch die Besonderheiten der im Polizeivollzugsdienst zu verrichtenden Tätigkeiten im Vergleich zu anderen Beamtengruppen, die erhöhte gesundheitliche und sonstige körperliche Anforderungen nicht mit sich bringen, nichts zu ändern. Die erhöhten Anforderungen betreffen lediglich die Frage der körperlichen Belastbarkeit der Beamten, nicht jedoch die Frage nach der Wahrscheinlichkeit für den Eintritt einer Dienstunfähigkeit. Dies hält das OVG Berlin-Brandenburg mit seiner Entscheidung fest. Anders als vom Dienstherr vorgenommen, konnte es daher bei der pauschalen Betrachtung nicht verbleiben; vielmehr bedurfte es einer individuellen Prüfung auf der Grundlage einer medizinischen Begutachtung der Bewerberin. Diese wurde nachgeholt und durch eine Stellungnahme eines Werkstoffwissenschaftlers ergänzt. Hiernach stellte sich die Prognose der Behörde als unzutreffend heraus, da moderne Brustimplantate nicht die Nachteile früherer Produkte aufweisen. Die Entscheidung, die Klägerin aufgrund ihrer Implantate nicht zu verbeamten, wurde daher aufgehoben.
Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass sich die rechtliche Überprüfung durch Bewerberinnen und Bewerber einer gegebenenfalls erteilten negativen Eignungsprognose sich durchaus lohnen kann. Schließlich kann neben einer fehlerhaften medizinischen Begutachtung im Vorfeld bereits seitens der Behörde ein rechtlich fehlerhafter Ansatzpunkt zur Erstellung der Eignungsprognose gewählt worden
sein.

Münster, 31.03.2020

Henning Schulte im Busch, Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht