Beamtenrecht

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Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Vorsorgeuntersuchungen und -behandlungen

Je früher Erkrankungen bei Kindern und Erwachsenen erkannt werden, desto besser sind die Chancen auf eine vollständige Heilung oder Verhinderung von möglichen Krankheiten. Der medizinische Fortschritt hat im Bereich der Vorsorge und Früherkennung sehr viele Möglichkeiten für die einzelnen Patienten eröffnet und bietet hier eine große Bandbreite. Für Beamtinnen und Beamte ergibt sich immer häufiger die Fragestellung, ob solche Vorsorgeuntersuchungen und vorbeugende Behandlungsmethoden beihilfefähig sind.

Grundsätzlich dient die Beihilfegewährung seitens des Dienstherrn diesem zur Erfüllung seiner Pflicht zur Krankenfürsorge gegenüber seinen Beamtinnen und Beamten, sodass zunächst nur solche Aufwendungen als beihilfefähig anerkannt werden, die "aus Anlass einer Krankheit" entstanden sind. Dass diese Begrifflichkeit unter Berücksichtigung der modernen medizinischen Möglichkeiten dem Anspruch einer umfassenden Gesundheitsfürsorge nicht vollständig gerecht wird, hat auch der Dienstherr bzw. Verordnungsgeber zum Teil bereits erkannt. So werden Aufwendungen für Schutzimpfungen, Aufwendungen zur Früherkennung bestimmter Krankheiten sowie Aufwendungen für prophylaktische zahnärztliche Leistungen den Aufwendungen in Krankheitsfällen zur Wiedererlangung der Gesundheit gleichgestellt (vgl. § 2 Abs. 1 Nr.1 a.E BVO NRW).

Nicht ausdrücklich umfasst sind dagegen prophylaktische Behandlungen bzw. Operationen. Für diesen Bereich hat nunmehr das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 28.09.2017 -BVerwG 5 C 10.16) entschieden, unter welchen Voraussetzungen die hierfür notwendigen Aufwendungen, denen "aus Anlass einer Krankheit" gleichzustellen sind. Hiernach ist der beihilferechtliche Krankheitsbegriff im Grundsatz mit dem entsprechenden Begriff dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, wie er durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entwickelt worden ist, gleichzusetzen. Danach ist - neben anderen Voraussetzungen - grundsätzlich nur krank, wer in seinen körperlichen oder geistigen Funktionen beeinträchtigt ist. Eine Ausnahme machte bereits das Bundessozialgericht aber in Fällen eines erhöhten Erkrankungsrisikos verschiedentlich auch ohne eine aktuelle Funktionsbeeinträchtigung. Dies berücksichtigend liegt nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nunmehr eine Krankheit im beihilferechtlichen Sinn auch dann vor, wenn die auf Tatsachen gestützte konkrete Gefahr einer schwerwiegenden Gesundheitsschädigung besteht und die schädigenden Folgen, die im Fall des Ausbruchs der Krankheit einträten, so schwer sind, dass die Behandlungsbedürftigkeit bereits vor Realisierung der Gefahr zu bejahen ist, weil dem Betroffenen bei wertender Gesamtbetrachtung nicht zuzumuten ist, dem Geschehen seinen Lauf zu lassen und sich auf die Inanspruchnahme von Früherkennungsmaßnahmen zu beschränken. Insoweit sei hier nicht nur das statistische Lebenszeitrisiko zu berücksichtigen, also die Wahrscheinlichkeit, innerhalb der üblichen Lebensspanne zu erkranken. Jedenfalls auch in den Blick zu nehmen seien das individuelle Risiko, innerhalb eines überschaubaren Zeitraums zu erkranken, und das Vorhandensein von Früherkennungsmaßnahmen, die hinreichend sensitiv sind, um bei festgestellter Erkrankung gute Heilungschancen zu bieten.

Im durch das Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall hatte eine Klägerin Beihilfe für Aufwendungen für eine vorsorglich operative Brustdrüsenentfernung und nachfolgende Implantatrekonstruktion geltend gemacht. Für sie war aufgrund familiärer Vorbelastung und einer Genmutation ein erhöhtes Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, festgestellt worden. Beamtinnen und Beamten, denen die behandelnden Ärzte im Rahmen von Früherkennungsuntersuchungen zu ähnlichen prophylaktischen Leistungen bzw. Operationen raten, ist zu empfehlen, sich unter Vorlage der ärztlichen Empfehlung frühzeitig mit der Beihilfestelle in Kontakt zu setzen und sich die Anerkennung der Beihilfefähigkeit schriftlich bestätigen zu lassen. Gegebenenfalls könnte sich hierzu bereits die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts anbieten, da die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht allen Beihilfestellen bekannt sein wird und deshalb diese, insbesondere für kostenintensive Operationen, gar nicht bzw. nur schleppend umgesetzt werden wird.

<link http: www.meisterernst.de newsletter mdm-newsletter-2018-01.html _blank beamtenrecht>aus Newsletter Beamtenrecht 01/2018

Münster, 17.05.2018

Henning Schulte im Busch, Rechtsanwalt