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Bundesverfassungsgericht setzt Grenzen für die Ausschärfung von Beurtei­lungen im Rahmen der Beförderungsauswahl

Grundlage für eine Beförderungsentscheidung hat grundsätzlich die letzte Beurteilung, die einem Beamten erteilt worden ist, zu sein. Nur so kann nach der Rechtsprechung die Vorgabe des Grundgesetzes, wonach für die Vergabe eines Amtes ausschließlich die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung eines Beamten maßgeblich sind, erfüllt werden. Die Beurteilungen sind in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Maßgeblich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil. In den Fällen, in denen bei zwei Bewerbern um eine Beförderungsstelle die jeweiligen Beurteilungen dasselbe Gesamtergebnis ausweisen, ist die Rechtsprechung seit einigen Jahren dazu übergegangen, den Dienstherrn zu verpflichten, die jeweiligen Beurteilungen daraufhin zu überprüfen, ob sich aus Einzelaussagen im Beurteilungstext ein Leistungsvorsprung für einen der Bewerber ergibt. Eine derartige Ausschärfung von Beurteilungen ist allerdings immer problematisch, da die jeweils von dem Beurteiler gewählten Formulierungen letztlich zu dem gleichen Gesamtergebnis geführt haben. Eine Auswertung der Einzelaussagen muss daher eindeutig zu einem Leistungsvorsprung eines Bewerbers führen.

Ein derartiger Leistungsvorsprung kann sich beispielsweise dann ergeben, wenn für die Beurteilungen der Bewerber ein unterschiedlicher Maßstab zu Grunde gelegt worden ist. Dies ist dann der Fall, wenn sich die konkurrierenden Bewerber in unterschiedlichen statusrechtlichen Ämtern befinden. Nach der Rechtsprechung wird bei einer Beurteilung eines Beamten in einem höheren statusrechtlichen Amt ein strengerer Beurteilungsmaßstab angewandt, da an den Beamten im höheren statusrechtlichen Amt auch höhere Anforderungen gestellt werden.

In einem von uns geführten Verfahren hatten sich zwei Beamte auf eine ausgeschriebene Stelle beworben. Beide hatten die Bestbeurteilung erhalten. Einer der Beamten befand sich jedoch im höheren statusrechtlichen Amt. Man hätte nun erwarten müssen, dass vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung der Dienstherr den Beamten, der sich in dem höheren statusrechtlichen Amt befindet, ausgewählt hätte. Tatsächlich geschah dies jedoch nicht. Vielmehr wurde eine Ausschärfung der Beurteilung vorgenommen, die letztlich zu einem Eignungsvorsprung des Bewerbers, der sich in dem niedrigeren statusrechtlichen Amt befand, führen sollte. Gegen diese Auswahlentscheidung wurde von dem nicht ausgewählten Bewerber Klage erhoben. Gleichzeitig wurde beim Verwaltungsgericht beantragt, dem Dienstherrn durch eine einstweilige Anordnung zu untersagen, den Mitbewerber bis zum Abschluss des Klageverfahrens zu ernennen. Dieses beamtenrechtliche Konkurrentenverfahren wurde bis zum Bundesverfassungsgericht geführt.

Nachdem das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen zunächst die beantragte einstweilige Anordnung erlassen hatte, wurde diese im Beschwerdeverfahren durch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen aufgehoben. Gegen diese Beschwerdeentscheidung wurde von dem unterlegenen Bewerber Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht eingelegt. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluss vom 4. Oktober 2012 dieser Verfassungsbeschwerde stattgegeben, den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die Angelegenheit an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Das Bundesverfassungsgericht hält dem Oberverwaltungsgericht entgegen, dass es nicht ohne Weiteres eine Ausschärfung der Einzelaussagen in den Beurteilungen hätte vornehmen dürfen, ohne zu berücksichtigen, dass sich einer der Bewerber im höheren statusrechtlichen Amt befunden habe. Es sei auch nicht zulässig, den sich hieraus ergebenden Leistungsvorsprung dadurch zu relativieren, dass sich die Tätigkeit dieses Bewerbers bisher nur auf einen Teilbereich des Aufgabenbereiches bezogen habe, der mit dem zu vergebenden Beförderungsamt verbunden ist. Ein Leistungsvorsprung, der sich aus dem höheren statusrechtlichen Amt ergibt, bleibe in jedem Fall bestehen. Wörtlich führt dann das Bundesverfassungsgericht Folgendes aus:

Wäre es in einem Fall wie dem vorliegenden allgemein zulässig, Teilelemente der Beurteilung höher oder niedriger zu gewichten oder einzelne Punkte aus dem Beurteilungstext herauszugreifen und unmittelbar zur Grundlage eines Bewerbervergleichs zu machen, so würde die Grenze zur Beliebigkeit leicht überschritten. Wenn der Charakter der Beurteilung als Gesamtbewertung auf diese Weise entscheidend geschwächt wird, verliert sie ihren Wert.

Das Bundesverfassungsgericht hat folglich enge Grenzen für eine Ausschärfung von Beurteilungen gezogen. Damit ist nun sichergestellt, dass über eine ergebnisorientierte Ausschärfung von Beurteilungen einzelne Beamte weder bevorzugt noch benachteiligt werden dürfen.

Münster, 18.10.2012

Dr. Frank Schulze, Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Dipl.-Verwaltungswirt