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Anpassung des Familienzuschlag in NRW - Vorsicht bei "Abhilfebescheiden"

Das Bundesverfassungsgericht hat mit mehreren Beschlüssen im Juli 2020 das Land Nordrhein-Westfalen verpflichtet, die festgestellte Verfassungswidrigkeit der zu niedrig gewährten Alimentation kinderreicher Familien (Familienzuschlag ab dem 3. Kind) zu beheben bzw. anzupassen. In den Beschlüssen hatte das Gericht deutlich gemacht, dass die Alimentation von Beamtinnen und Beamten mit mehr als 2 Kindern in Nordrhein-Westfalen verfassungswidrig zu niedrig war. Mit dem Gesetz zur Anpassung der Alimentation kinderreicher Familien vom 14. September 2021 hat der Landesgesetzgeber nunmehr die laufende Alimentation rückwirkend zum 1. Januar 2021 erhöht.

Zugleich sieht das Gesetz aber auch Nachzahlungsansprüche für den Zeitraum 2011-2020 vor. Dies allerdings nur für diejenigen Beamtinnen und Beamte, die ihre Ansprüche in den jeweiligen Jahren geltend gemacht haben. In der Vergangenheit hatten hierfür eine Vielzahl von Beamtinnen und Beamten die von verschiedentlichen Stellen bereitgestellten "Musterwidersprüche" genutzt. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung verschickt in der jüngeren Vergangenheit daher als "Abhilfebescheide" deklarierte Schreiben, wonach die Familienzuschläge für das Jahr des Eingangs des Widerspruchs vollständig gewährt werden. Hier ist Vorsicht geboten!

In den Abhilfebescheiden werden die dem Widerspruch folgenden Jahre zwar nicht ausdrücklich genannt. Mit den Bescheiden wird jedoch das gesamte Widerspruchsverfahren aufgegriffen und insgesamt erledigt. Beamtinnen und Beamte, die den Abhilfebescheid daher so hinnehmen, verlieren im Ergebnis ihre Möglichkeit weitere Zahlungen für den Zeitraum 2011- 2020 zu erhalten. Dies gilt es nach Möglichkeit zu vermeiden. Schließlich bestehen in der Vielzahl der Fälle wohl auch Zahlungsansprüche für die Folgejahre, d. h. solche Jahre, die dem 1. Widerspruch gegen die Alimentation gefolgt sind.

Zum einen lassen die verwendeten Musterwidersprüche in der Regel eine Auslegung hin zu einem weitergehenden Erklärungsinhalts des Widerspruchs zu. Der einzelne Beamte will sich eben nicht nur gegen die Alimentation des laufenden Haushaltsjahres, sondern auch gegen die darauf folgenden Haushaltsjahre zur Wehr setzen. Schließlich wird ein fortlaufendes Alimentationsdefizit geltend gemacht. Zum anderen widerspricht die Statuierung einer Anspruchsvoraussetzung dahingehend, dass der Widerspruch in jedem Haushaltsjahr, für das die zusätzliche Besoldung verlangt wird, erfolgen müsste, den seitens des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten Anforderungen an den einzelnen Beamten. Hiernach ist es vielmehr ausreichend, dass der Beamte seinen Anspruch zeitnah geltend macht. Ein Anspruch auf Behebung der verfassungswidrigen Alimentation besteht somit "ab demjenigen Haushaltsjahr", in dem der Beamte den Anspruch „erstmals“ geltend macht.

Gegen die erteilten "Abhilfebescheide" des Landesamt für Besoldung und Versorgung ist der Klageweg vor dem Verwaltungsgericht eröffnet. Eine Prüfung und Vertretung durch einen Rechtsanwalt erscheint hier sinnvoll, um die Möglichkeit der weiteren Alimentationsansprüche gegenüber dem Land nicht ungeprüft verstreichen zu lassen.

 

Münster, 17.11.2021

Henning Schulte im Busch, Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht