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Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes (EU- Whistleblowing Richtlinie)

Der Bundestag hat am 16. Dezember 2022 das lang erwartete Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) beschlossen. Ziel des Gesetzes und der ihm zugrunde liegenden EU-Richtlinie ist ein besserer Schutz von Whistleblowern, also von Personen, die Hinweise auf Missstände in Unternehmen geben. Nachdem der Gesetzesentwurf am 10.02.2023 im Bundesrat von den unionsgeführten Bundesländern blockiert wurde, wird nun der Vermittlungsausschuss angerufen.

Nicht zuletzt, weil die EU-Richtlinie bereits bis Dezember 2021 hätte umgesetzt werden müssen und die Bundesrepublik Deutschland inzwischen wegen der Nichtumsetzung von der Europäischen Kommission vor dem EuGH verklagt wird, ist jedoch davon auszugehen, dass das Gesetzgebungsverfahren nunmehr weiter beschleunigt wird und das HinSchG noch im 2. oder 3. Quartal 2023 in Kraft tritt.

 

Zentraler Baustein des HinSchG ist die Verpflichtung für alle Unternehmen ab 50 Beschäftigten eine interne Meldestelle für Hinweisgebende einzurichten. Die Art der Ausgestaltung steht dabei im Regelungsermessen der Betriebsparteien. So ist es beispielsweise ebenso gut möglich, eine im Betrieb befindliche Person als Ansprechpartner zu installieren, wie über eine Softwarelösung zentral oder dezentral einen „Whistleblower-Kanal“ zu eröffnen. Dieses Regelungsermessen lässt Raum für Mitbestimmungsrechte, insb. nach § 87 Abs.1 Nr.1 BetrVG.

Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG setzt dabei nicht als notwendig voraus, dass es sich um verbindliche Verhaltensregeln handelt, sondern lässt es genügen, dass Maßnahmen vorliegen, die das Verhalten der Beschäftigten in Bezug auf die betriebliche Ordnung betreffen, ohne dass sie verbindliche Vorgaben zum Inhalt haben. Ausreichend ist bereits, wenn die Maßnahme des Arbeitgebers darauf gerichtet ist, das Verhalten der Arbeitnehmer zu steuern oder die Ordnung des Betriebs zu gewährleisten (BAG, Beschluss v. 22. Juli 2008 – 1 ABR 40/07).

Soweit es sich bei der Einführung einer internen Meldestelle um ein standardisiertes Verfahren handelt, womit überwiegend zu rechnen sein wird, sind die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen erfüllt. Bedienen sich Unternehmen, was regelmäßig der Fall sein dürfte, bei der Errichtung bzw. Nutzung einer internen Meldestelle technischer Einrichtungen, z.B. einer Softwarelösung oder einer Möglichkeit der Mitteilung von Hinweisen via Email so wird auch das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs.1 Nr.6 BetrVG eröffnet sein. In diesem Zusammenhang ist dann auch der Datenschutz in den Fokus der Regelungen zu nehmen.

 

Soweit ein Gesamt- oder gar Konzernbetriebsrat besteht, wird abzuwägen zu sein, auf welcher Ebene die Verhandlungen über die Einführung einer internen Meldestelle zu führen sind. Für die Frage der Zuständigkeit wird es maßgeblich darauf ankommen, ob ein einheitliches (technisches) System (zwingend) unternehmens- bzw. konzernweit eingeführt werden soll. Ist dies der Fall, spricht einiges dafür, dass ausnahmsweise der Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrat zuständig ist.

 

Bei der Umsetzung der Vorgaben des HinSchG ist, abseits der Frage von Mitbestimmungsrechten, schließlich insbesondere noch auf folgendes zu achten:

  • Hinweisgebende müssen die Möglichkeit erhalten, ihre Hinweise der internen Meldestelle mündlich, schriftlich oder auf Wunsch auch persönlich oder anonym abzugeben (letzteres steht noch im aktuellen politischen Diskurs).
  • Innerhalb von drei Monaten muss die Meldestelle den Whistleblower über die ergriffenen Maßnahmen informieren und ggf. vorab weitere Untersuchungen anstellen.
  • Neben den internen Meldestellen im Betrieb sollen auf Bundes- und Landesebene externe Meldestellen von den zuständigen Behörden errichtet werden. Whistleblower haben dann die Wahl, an welche Stelle sie sich wenden wollen.
  • Zum Schutz der Whistleblower vor Repressalien sieht das Gesetz weitreichende Schutzmechanismen vor: Wird ein Whistleblower im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit benachteiligt, so wird zukünftig beispielsweise vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie ist, welche rückgängig zu machen ist. Darüber hinaus kommen Whistleblowern in einem solchen Fall Schadensersatzansprüche zu.

 

Fazit

Auch wenn erst im 2. oder 3. Quartal 2023 mit dem Inkrafttreten des HinSchG zu rechnen ist, sind Unternehmen und Betriebsräte gut beraten, bereits jetzt die Weichen hierfür zu stellen und über die Umsetzung, insbesondere die Ausgestaltung der internen Meldestelle, in Form einer Betriebsvereinbarung zu verhandeln. Dies wird nicht zuletzt auch zu mehr Rechtssicherheit für Whistleblower sorgen.

Da der Regelungsgegenstand komplex ist und handwerkliche Fehler folgenreich sein können, sollten sich Betriebsräte umfassend über den Gesetzesinhalt und ihre Beteiligungsrechte informieren.

Um dabei Unterstützung zu leisten, bieten wir am 22.03.2023 ein betriebsübergreifendes Seminar sowie auf Nachfrage betriebsinterne Schulungen zu dem Thema an.

Ebenso stehen wir als Sachverständige nach § 80 Abs.3 BetrVG zur Verfügung, insbesondere bei der Beratung und Verhandlung von Betriebsvereinbarungen zur Einführung einer internen Meldestelle für Whistleblower. Bei der Verhandlung solcher Betriebsvereinbarungen haben wir in der jüngeren Vergangenheit bereits mehrere (Gesamt-/Konzern-) Betriebsratsgremien erfolgreich unterstützen können.

 

Für weitere Fragen, können Sie sich jederzeit gerne unverbindlich mit uns telefonisch oder per E-Mail in Verbindung setzen:

 

Email: schaefer[at]meisterernst.de

Telefon: 0251 5209123

 

Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit!

 

Münster, 20.02.2023

Marius Schaefer, MLE
Fachanwalt für Arbeitsrecht