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Betriebsrat – Mitbestimmung bei Eingruppierung und Umgruppierung – Überleitung in eine neue Entgeltordnung – Begriff der Eingruppierung

Der Betriebsrat ist bei jeder Überleitung von Arbeitnehmern in neue Entgeltordnungen zu beteiligen. Das gesetzliche Mitbestimmungsrecht kann nicht durch tarifliche Regelungen oder andere Bestimmungen und Vereinbarungen beseitigt werden.

In den vergangenen Jahren wurden verschiedene tarifliche Vergütungsordnungen durch neue Ordnungen abgelöst. Ab dem Jahre 2003 wurden im Bereich der Metall- und Elektroindustrie die alten Lohn- und Gehaltsrahmentarifverträge durch neue Entgeltrahmentarifverträge (ERA-TV) abgelöst. Im Bereich des öffentlichen Dienstes wurde der BAT zum 01.10.2005 in den Bereichen Bund und Kommunen durch den TVöD und zum 01.11.2006 im Bereich der Länder durch den TV-L abgelöst. Bereits zuvor wurde der BAT im Bereich der Versorgungsbetriebe durch den TV-V abgelöst. In den Überleitungsbestimmungen zur Neuzuordnung der bereits Beschäftigten, aber auch in den Bestimmungen zur Eingruppierung neu Eingestellter, sind häufig Regelungen vorgesehen, die das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei Ein- und Umgruppierung beseitigen oder aushöhlen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist dies nicht möglich.

Am 12.01.2011 hat das BAG (AZ: 7 ABR 34/09) entschieden, dass der Entgeltrahmen-Tarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg vom 16.09.2003 (ERA-TV) das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht beseitigt. Nach dem ERA-TV Baden-Württemberg erfolgt die Einstufung der Arbeitnehmer in einem tariflich geregelten Verfahren verbindlich. Für Streitfälle ist ein Reklamationsverfahren geregelt. Die Zuordnung der bereits Beschäftigten in die neue Entgeltordnung stellte eine Umgruppierung, die Zuordnung von neu Eingestellten stellte eine Eingruppierung dar. Hierbei ist der Betriebsrat als Gremium nach § 99 BetrVG zu beteiligen. Seine Mitbestimmung wird durch das tarifliche Verfahren nicht suspendiert.

Bei der Überleitung vom BAT in den TVöD oder in den TV-L erfolgte die Zuordnung zu den neuen Entgeltgruppen ausgehend von der bestehenden Eingruppierung anhand eines tariflich festgelegten Schemas, in welchem sämtliche nach BAT eingruppierten Beschäftigten einer bestimmten neuen Entgeltgruppe zugeordnet wurden. Hier wurde die Auffassung vertreten, dass es sich um einen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausschließenden Automatismus handele, da die Überleitung nicht mit einer wertenden und mit einem Beurteilungsspielraum einhergehenden Entscheidung des Arbeitgebers verbunden sei. Im Bereich des TV-V war sogar tariflich festgelegt, dass es bei den bestehenden Arbeitsverhältnissen keiner neuen Eingruppierungsentscheidung bedürfe. Für den Bereich des TVöD hat das BAG bereits am 22.04.2009 (AZ: 4 ABR 14/08) entschieden, dass die Einordnung in die neue Vergütungsordnung des TVöD eine beteiligungspflichtige Umgruppierung im Sinne des § 99 BetrVG darstellt. Es komme nicht darauf an, ob die Zuordnung zu einer neuen Entgeltordnung aufgrund abstrakter Tätigkeitsmerkmale erfolge und mit einem Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers verbunden ist. Die richtige Eingruppierung eines Arbeitnehmers ergebe sich immer aus dem Tarifvertrag, so dass an sich nie ein Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers gegeben ist. Der Betriebsrat hat die richtige Rechtsanwendung im Falle der Ein- oder Umgruppierung mitzubeurteilen und ist somit nach § 99 BetrVG zu beteiligen.

Die Entscheidungen sind zu begrüßen. Die gesetzlichen Mitbestimmungsrechte stehen nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien. Andererseits wäre es möglich, dass anderweitige tarifliche Vergünstigungen von der Arbeitgeberseite davon abhängig gemacht werden, dass für Arbeitgeber lästige Mitbestimmungsrechte, insbesondere bei Eingruppierung und Umgruppierung, tariflich ausgeschlossen werden. Das Betriebsverfassungsrecht sieht Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates vor, die grundsätzlich von der tariflichen Regelung der Arbeitsbedingungen zu unterscheiden sind. Die Tarifvertragsparteien können gesetzliche Mitbestimmungsrechte nicht aufheben. Dies hat das BAG in den vorgenannten Entscheidungen klar gestellt. Gleichzeitig wurde der Begriff der Ein- und Umgruppierung vereinfacht. Jede Zuordnung von Beschäftigten zu einem im Betrieb bestehenden Vergütungsschema stellt eine Eingruppierung dar, unabhängig davon, ob die Tätigkeit der Beschäftigten abstrakten Tätigkeitsmerkmalen untergeordnet werden muss. Es spricht nichts dagegen, einen Betriebsrat auch dann zu beteiligen, wenn die Eingruppierung aufgrund der bestehenden Regelungen keinen besonderen Schwierigkeiten unterliegt. Dies ändert nichts daran, dass der Betriebsrat bei der Eingruppierung zu beteiligen ist und so willkürliche zu niedrige Eingruppierungen zuungunsten der Beschäftigten verhindern kann. Der Arbeitgeber muss beim Betriebsrat zu jeder Ein- oder Umgruppierung die Zustimmung einholen und sich diese ggf. durch das Arbeitsgericht ersetzen lassen.

Münster, 20.01.2011

Klaus Kettner, Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeits- und Sozialrecht