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Kettenarbeitsverträge – Befristung unwirksam? Hoffnungsschimmer für langjährig befristet Beschäftigte

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 17.11.2010 [Aktenzeichen -7 AZR 443/09 – (A)] den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen, um klären zu lassen, ob die wiederholte Befristung von Arbeitsverhältnissen in Fällen eines ständigen Vertretungsbedarfes mit dem Europäischen Recht zu vereinbaren ist.

Arbeitsverhältnisse dürfen befristet werden, wenn ein Grund für die Befristung vorliegt. Die Vertretung von Arbeitnehmern ist gesetzlich als Befristungsgrund anerkannt. Gerade bei großen Arbeitgebern und öffentlichen Behörden ist es daher möglich, Arbeitnehmer über viele Jahre immer wieder befristet zu beschäftigen, da immer wieder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus verschiedenen Gründen (lang anhaltende Krankheit, Elternzeit, Sonderurlaub) ausfallen. Das Bundesarbeitsgericht prüfte jeweils nur, ob beim letzten befristeten Arbeitsvertrag tatsächlich ein Vertretungsfall vorlag. War dies der Fall, wurde die Befristung für wirksam gehalten. Wir hielten das Verhalten großer Arbeitgeber für missbräuchlich, wenn beim Arbeitgeber ständig Arbeitskräfte ausfielen und Arbeitnehmer über viele Jahre immer wieder befristet beschäftigt wurden, obwohl sie auch als unbefristet Beschäftigte den Vertretungsbedarf abdecken konnten.

Diese bisherige Rechtsprechung könnte gegen Europäisches Recht verstoßen. Nach einer Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG sind die Mitgliedstaaten der EU verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um Missbrauch durch aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge zu vermeiden. Im konkreten Fall war eine Arbeitnehmerin über 11 Jahre auf der Grundlage von insgesamt 13 befristeten Arbeitsverträgen als Justizangestellte beschäftigt. Die Beschäftigung diente jeweils der Vertretung von Kolleginnen, die sich in Elternzeit oder Sonderurlaub befanden. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG wäre auch die letzte Befristung wirksam, da ein Vertretungsfall vorlag. Durch die Anfrage an den EuGH könnte sich eine Rechtsprechungsänderung andeuten.

Wichtig:

Alle, die die Rechtswirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsvertrages überprüfen lassen wollen, müssen dies spätestens innerhalb von drei Wochen nach Ablauf der im Vertrag vereinbarten Befristung durch Klage beim Arbeitsgericht geltend machen. Auch dürfen vorher keine neuen (befristeten) Arbeitsverträge für die Folgezeit vorbehaltlos unterschrieben werden.

Münster, 14.01.2011

Klaus Kettner, Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeits- und Sozialrecht