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Verstößt der Befristungsfreibrief für Ältere gegen EU-Recht?

Hubert Bauer ist gerade 53 Jahre alt geworden. Seit 01.01.2003 arbeitet er in befristeten Arbeitsverhältnissen. Zunächst hatte er einen 9-Monatsvertrag, dann drei 5-Monatsverträge und zuletzt immer nur 3-Monatsverträge. Sein Stundenlohn ist am unteren Ende der Skala angesiedelt. Er bekommt genauso viel wie frisch übernommene Auszubildende, dabei bringt er 35 Jahre Berufserfahrung mit. Aber über diese Tatsache beschwert er sich ebenso wenig wie darüber, dass sein Arbeitgeber ihm die Überstunden nicht bezahlt oder ihn manchmal aus dem Urlaub holt, ohne ihm anschließend die Zeiten wieder gutzuschreiben, denn schließlich hofft er, in 2 Monaten wieder eine Verlängerung zu bekommen.

Solche "Dauerprobezeiten" mit ihren negativen Wirkungen für die Durchsetzung zustehender Arbeitsvertragsleistungen lässt § 14 TzBfG in seiner durch die Hartz-Gesetze verschärften Fassung ab dem 50. Lebensjahr für den Rest des Arbeitslebens zu:

Grundsätzlich herrscht zwar das Idealbild des unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit seiner relativen Sicherheit. Deshalb sind Befristungen in erster Linie nur dann möglich, wenn dafür ein sachlicher Grund vorliegt, z.B. eine Krankheits- oder Schwangerschaftsvertretung. Um Flexibilitätsinteressen gerecht zu werden, räumt § 14 Abs. 2 TzBfG davon abweichend je-doch die generelle Möglichkeit ein, ein Arbeitsverhältnis ohne Sachgrund bis zu 2 Jahre (inklusive 3 Verlängerungen) zu befristen, wenn der/die Arbeitnehmer/in erstmalig für diesen Arbeitgeber arbeitet. Abs. 3 dieser Vorschrift erlaubt darüber hinaus, Personen ab dem 58. Lebensjahr beliebig oft und lange befristet zu beschäftigen. Diese Altersgrenze wurde durch die sog. Hartz I-Gesetze bis zum Ende diesen Jahres auf 52 Jahre abgesenkt. Eine Verlängerung dieser Absenkung bis zum 31.12.2007 befindet sich gerade im Gesetzgebungsprozess.

Faktisch bedeutet dies, dass vom 50. Lebensjahr an bis zur Rente ununterbrochen sachgrundlos befristet werden kann - zunächst nach § 14 Abs. 2 TzBfG und dann nach Abs. 3.

Das Arbeitsgericht München sah hierin einen möglichen Verstoß gegen die EU-Richtlinie 2000/78/EG, die u.a. die Diskriminierung wegen des Alters in Beschäftigung und Beruf verbietet. Es hat daher in einem seiner aktuellen Fälle eine entsprechende Vorlage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht. In seinen Schlussanträgen vom 30.06.2005 hat der Generalanwalt Antonio Tizzano, der die Entscheidung des EuGH vorbereitet, dem Arbeitsgericht München nun Recht gegeben. Er ist der Ansicht, dass § 14 Abs. 3 TzBfG nicht nur gegen die Richtlinie 2000/78/EG sondern auch gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz verstößt:

Ungleiche Behandlungen wegen des Alters sind durch das EU-Recht nicht per se ausgeschlossen. Sie stellen dann keine verbotene Diskriminierung dar, wenn die unterschiedliche Behandlung objektiv zur Verfolgung eines rechtmäßigen Zieles gerechtfertigt und zur Erreichung des verfolgten Zieles angemessen und erforderlich ist. Als solche legitimen Ziele definiert Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG u.a. rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik und Arbeitsmarkt, insbesondere die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, um die berufliche Eingliederung von älteren Arbeitnehmern zu fördern. Insofern akzeptierte der Generalanwalt das von der Bundesrepublik für die Begründung des § 14 Abs. 3 TzBfG angeführte Ziel, die berufliche Eingliederung der arbeitslosen älteren Arbeitnehmer fördern zu wollen. Allerdings kommt er zu dem Schluss, dass dieses (legitime) Ziel "mit ganz unverhältnismäßigen Mitteln verfolgt wird und dass folglich die in § 14 Abs. 3 TzBfG für Arbeitnehmer, die das 52. Lebensjahr vollendet haben, vorgesehene Behandlung eine wirkliche Diskriminierung aufgrund des Alters darstellt." Diese deutlichen Worte sind eine Ohrfeige für den deutschen Gesetzgeber.

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass der EuGH den Empfehlungen seiner Generalanwälte in der Regel folgt. Es beseht also eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der EuGH in Kürze die EU-Rechtswidrigkeit dieser Vorschrift feststellen wird. Allerdings wird dies nicht direkt auf alle Arbeitsverhältnisse durchschlagen. EU-Vorschriften verpflichten nur den Mitgliedsstaat, sie binden jedoch nicht Private. Alle bei einem staatlichen Arbeitgeber Beschäftigten können sich also auf einen Verstoß berufen. In Arbeitsverhältnissen zwischen Privaten ist § 14 Abs. 3 TzBfG aber weiter anwendbar. Allerdings mit der Einschränkung, dass die nationalen Gerichte verpflichtet sind, die Vorschrift soweit wie möglich anhand des Wortlautes und der Ziele der einschlägigen EU-Vorschriften auszulegen, um das mit Ihnen verfolgte Ziel zu erreichen. Unter bestimmten, engen Bedingungen können sie möglicherweise Schadensersatz von der BRD erlangen, die es versäumt hat, dem EU-Recht durch nationale Bestimmungen Geltung zu verschaffen.

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass der Abbau von Arbeitnehmerschutzrechten, wie z.B. die Anhebung des Schwellenwertes für die Geltung des Kündigungsschutz auf 10 Arbeitnehmer/innen, nicht nachweislich zu irgendwelchen Beschäftigungseffekten geführt hat. Es macht die Arbeit für die Arbeitgeber nur billiger und setzt sie in eine komfortable Machtposition, denn wer fordert schon seine Rechte ein, wenn es den Arbeitsplatz kostet.

Der Gesetzgeber hat also den Arbeitgebern ein Angebot gemacht, das die Beschäftigten entrechtet, das wahrscheinlich rechtswidrig ist und vermutlich gar nicht zu Mehreinstellungen von Älteren führt.

Ausblick:

Folgt der EuGH also der Argumentation seines Generalanwaltes, so eröffnet dies befristet beschäftigten Älteren im öffentlichen Dienst die Chance, sich in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis einzuklagen. Für die Beschäftigten mit privaten Arbeitgebern bleibt abzuwarten, ob die EU-rechtskonforme Auslegung dem § 14 Abs. 3 TzBfG etwas von seiner Schärfe nehmen kann. Jedenfalls ist einmal mehr die Korrektur eines überzogenen Arbeitsmarktinstrumentes zu Lasten der Arbeitnehmer/innen dringend angezeigt. Ein klares Votum des EuGH dürfte dieser Forderung Nachdruck verlangen.

Münster, 03.07.2005

Veronica Bundschuh, Rechtsanwältin