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Nachträglicher Widerspruch gegen Betriebsübergang bei den Britischen Stationierungsstreitkräften – Zweifel über die inhaltliche Anwendbarkeit eines formell weitergeltenden Tarifvertrags müssen mitgeteilt werden

In einem von uns geführten Verfahren hat das Bundesarbeitsgericht am 26.03.2015 (Az.: 2 AZR 783/13) entschieden, dass es im Rahmen der Informationen über die Folgen eines Betriebsübergangs nicht reicht, den Arbeitnehmern nur mitzuteilen, dass formell Tarifverträge weitergelten, wenn gleichzeitig Zweifel darüber bestehen, ob sie inhaltlich überhaupt noch greifen können.

Es ging um einen Fall bei den britischen Stationierungsstreitkräften. Die Besonderheit dort ist, dass die Bundesrepublik Deutschland Tarifverträge für die bei den NATO-Stationierungskräften beschäftigten Arbeitnehmer abgeschlossen hat, deren Leistungen z.T. von der BRD erbracht werden. Einer diese Tarifverträge, der TV Soziale Sicherung (TV SozSich bzw. TASS) sah vor, dass ab einem bestimmten Alter und Betriebszugehörigkeit Arbeitnehmer, die wegen Standortschließungen oder Truppenverlagerungen ihren Arbeitsplatz betriebsbedingt verlieren, eine Überbrückungsbeihilfe bekommen, weil es erfahrungsgemäß länger dauert, bis sie wieder Fuß fassen. Überbrückungsbeihilfe bedeutet, dass sie eine Zeit lang etwaigen schlechteren Verdienst bei einem anderen Arbeitgeber oder Arbeitslosengeld von der BRD aufgestockt bekommen, bei besonders langer Betriebszugehörigkeit sogar bis zur Rente.

Die britischen Stationierungsstreitkräfte lagerten im Jahr 2011 das Gebäudemanagement (Facilities Management) auf ein Privatunternehmen aus. Im Unterrichtungsschreiben über den Betriebsübergang heißt es, dass die in den dort genannten Tarifverträgen - u.a. dem TV SozSich - getroffenen Vereinbarungen durch den Betriebsteilübergang nicht berührt würden. Im Jahr 2013 wurde der Standort geschlossen und die in den Kasernen beschäftigten Arbeitnehmer wurden deshalb gekündigt. Die (älteren, langjährigen) Arbeitnehmer, die noch bei den Streitkräften angestellt gewesen waren, erhalten von der BRD Überbrückungsbeihilfe. Für die übergegangenen Arbeitnehmer sah sie sich aber nicht mehr in der Pflicht, denn diese seien ja nicht mehr bei NATO-Stationierungsstreitkräften angestellt. Ihr neuer Arbeitgeber stellte sich wiederum auf den Standpunkt, dass die Tarifverträge zwar - entsprechend der Unterrichtung - formal weitergelten, die Überbrückungsbeihilfe jedoch inhaltlich nicht mehr zur Anwendung kommen könne, da es sich bei ihm um einen privaten Arbeitgeber und nicht um Streitkräfte handele. Ob diese Ansicht des neuen Arbeitgebers richtig ist, war zu diesem Zeitpunkt noch offen. Über diese Unsicherheit, hätten die Arbeitnehmer aber informiert werden müssen. Da dies nicht geschehen ist, war die Information über den Betriebsübergang fehlerhaft und der klagende Arbeitnehmer konnte auch noch ein Jahr später, nachträglich seinem Betriebsübergang widersprechen.

Die Entscheidung hat bundesweite Bedeutung, da das Gebäudemanagement der britischen Stationierungsstreitkräfte bundesweit auf dieses Privatunternehmen ausgelagert worden ist und die Standorte nach und nach geschlossen werden. Allerdings sollten sich Arbeitnehmer rechtlich beraten lassen, bevor sie entscheiden, nunmehr nachträglich ihrem Betriebsübergang zu widersprechen. Zu prüfen wäre nämlich, ob die Gefahr besteht, dass sie nach erfolgreichem Widerspruch und Rückkehr zu den britischen Stationierungsstreitkräften aus anderen Gründen als denen, die die Überbrückungsbeihilfe auslösen, gekündigt werden.

In diesem Zusammenhang ist auch ein weiteres Verfahren, das wir vor dem Bundesarbeitsgericht geführt haben, wichtig: Am 23.07.2015 hat das Bundesarbeitsgericht darüber entschieden (Az.: 6 AZR 687/14), ob die Rechtsansichten der BRD und des übernehmenden Arbeitgebers überhaupt richtig sind, ob also nicht beide oder einer von beiden weiterhin verpflichtet seien, Überbrückungsbeihilfe zu zahlen, wenn übergegangene Arbeitnehmer, die nach wie vor bei den Streitkräften eingesetzt werden, infolge von Truppenverlagerungen oder Standortschließungen gekündigt werden. Das Bundesarbeitsgericht hat gegen die Arbeitnehmer entschieden. Es hat dies damit begründet, dass die Kündigungen nicht allein militärische Ursachen hätten, sondern auf eine unternehmerische Entscheidung aus wirtschaftlichen Gründen zurückzuführen seien, vor deren Folgen der TV SozSich nicht schütze. Der neue private Arbeitgeber hatte nämlich seine Kündigung mit Arbeitsmangel infolge weg gefallener Aufträge und fehlender anderweitiger neuer Aufträge begründet. Dabei hat das Bundesarbeitsgericht verkannt, dass der TV SozSich auch mittelbare Folgen einer Standortschließung erfassen soll, die militärische Entscheidung also nicht die alleinige Ursache sein muss. Die Britischen Streitkräfte waren der einzige Auftraggeber des neuen Unternehmens, das extra für diesen Auftrag gegründet worden war und seither keinen einzigen anderen Auftrag für andere Auftraggeber übernommen hatte. Jede Standortschließung führt also zwangsläufig zur Kündigung der Arbeitnehmer wegen Auftragsmangel. Eine solche mittelbare Verursachung der Kündigung reicht beim TV SozSich. Die Entscheidung des BAG ist also falsch – sie steht aber leider nun erstmal so im Raum.

Faktisch bedeutet die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, dass alle Arbeitnehmer, die damals ausgelagert wurden und nun im Rahmen des in den nächsten Jahren anstehenden Abzugs der Streitkräfte infolge einer Standortschließung oder -verkleinerung gekündigt werden, bei der Überbrückungshilfe leer ausgehen. Den Schutz des TV SozSich und des § 613a BGB bei Betriebsübergängen hat das BAG durch seine Entscheidung ausgehebelt. Die Entscheidung ist meines Erachtens falsch.

Münster, 20.07.2016

Veronica Bundschuh, Fachanwältin für Arbeitsrecht