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Ansprüche aus betrieblicher Übung nicht mehr so einfach wie früher zu beseitigen

Ein Anspruch aufgrund betrieblicher Übung entsteht, wenn der Arbeitgeber regelmäßig, d.h. mindestens drei Jahre hintereinander, vorbehaltlos eine Leistung gewährt, so dass der Arbeitnehmer davon ausgehen kann, dass er diese Leistung auch in Zukunft erhalten wird. In der Vergangenheit waren die Gerichte der Ansicht, dass der Arbeitgeber von dieser betrieblichen Übung dadurch wieder frei werden konnte, dass er mindestens drei Jahre lang gegenüber dem Arbeitnehmer erklärt hat, dass er diese Leistung künftig nicht mehr oder nur noch freiwillig ohne Rechtsanspruch gewähren möchte. Da Arbeitsverträge mittlerweile jedoch durch die Schuldrechtsreform den Prüfungsvorschriften für Formularverträge unterworfen sind, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 18.03.2009 (Az. 10 AZR 281/08) diese Rechtsprechung aufgegeben.

Im entschiedenen Fall ging es um Weihnachtsgeld, dass im Betrieb 30 Jahre lang vorbehaltlos bezahlt worden war und deshalb aufgrund betrieblicher Übung zu einem arbeitsvertraglichen Anspruch der Arbeitnehmer geworden war. Der Arbeitgeber schrieb sodann vier Jahre hintereinander auf die Abrechnungen: "Die Zahlung des Weihnachtsgeldes ist eine freiwillige Leistung und begründet keinen Rechtsanspruch!". Anschließend stellte er sich auf den Standpunkt, der Anspruch der Arbeitnehmer sei durch negative Übung entfallen und zahlte das Weihnachtsgeld im fünften Jahr nicht mehr aus. Ein betroffener Arbeitnehmer klagte das Weihnachtsgeld erfolgreich ein.

Das BAG entschied, dass der nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung entstandene vertragliche Anspruch genauso wie ein im Arbeitsvertrag geregelter Gratifikationsanspruch nur durch Kündigung oder eine entsprechende Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer unter Vorbehalt gestellt, verschlechtert oder beseitigt werden kann. Indem der Arbeitnehmer zu dem Hinweis auf der Abrechnung geschwiegen und einfach kommentarlos weiter gearbeitet hat, hat er nicht konkludent ein Angebot auf Verschlechterung des vertraglichen Anspruchs angenommen. Ganz im Gegenteil war das Schweigen als Ablehnung zu verstehen. Denn erklärt der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern, dass die bisherige betriebliche Übung einer vorbehaltlosen Gratifikationszahlung beendet wird und durch eine Leistung ersetzt werden soll, auf die in Zukunft kein Rechtsanspruch mehr besteht, und wird diese Erklärung als Änderungsangebot verstanden, liegt eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB vor. Die Ansicht, durch eine dreimalige widerspruchslose Entgegennahme einer vom Arbeitgeber ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit gezahlten Gratifikation werde die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Gratifikationszahlung beendet, ist mit dem Klauselverbot für fingierte Erklärungen in § 308 Nr. 5 BGB nicht zu vereinbaren. Diese Vorschrift legt fest, dass der Grundsatz, dass Schweigen in der Regel keine Willenserklärung ist, durch Allgemeine Geschäftsbedingungen nur unter engen Voraussetzungen änderbar ist. Es muss nämlich zuvor so vereinbart worden sein und sodann muss auf die vorgesehene Bedeutung eines bestimmten Handelns oder Nichtstuns hingewiesen werden und eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt werden. Diese Voraussetzungen waren im entschiedenen Fall nicht eingehalten.

Münster, 12.06.2009

Veronica Bundschuh, Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht