Landwirtschaftsrecht / Agrarrecht

Zurück

Landwirtschaftsrecht / Agrarrecht
Nach dem Beschluss des BVerfG vom 09.08.2018 zur Verfassungswidrigkeit der Hofabgabeklausel - Was muss ich tun, damit ich meine Rente bekomme?

Merkblatt für Landwirte und Landwirtinnen

Mit Beschluss vom 23.05.2018, verkündet am 09.08.2018, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach vielen Jahren in den von uns geführten Verfahren entschieden, dass die sog. Hofabgabeklausel verfassungswidrig ist.

Bisher galt, dass der Anspruch auf eine Altersrente für Landwirte erst und nur dann besteht, wenn der Anspruchsberechtigte seinen landwirtschaftlichen Betrieb abgibt. In der von mir als Partnerin der Kanzlei Meisterernst Düsing Manstetten erstrittenen Entscheidung befand das BVerfG, dass diese Abgabepflicht als Voraussetzung eines Rentenanspruchs ohne Härtefallregelung mangels Verhältnismäßigkeit gegen die Eigentumsfreiheit aus Art. 14 Abs. 1 GG verstößt. Die sog. Hofabgabeklausel ist damit endlich gekippt!

Was bedeutet dieser Beschluss des BVerfG für Sie? Das hängt ganz davon ab, was Sie als Landwirt oder Landwirtin, bisher in Bezug auf Ihren Rentenanspruch unternommen haben. Vorausgesetzt Sie haben die Altersgrenze und die Wartezeit erfüllt, können vier Fallgruppen unterschieden werden.

  1. Fall:
    Sie haben bisher keinen Antrag gestellt

    Sofern Sie bisher noch keinen Antrag gestellt haben, aber die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) erfüllen (Wartezeiten, Altersgrenze, ...), können Sie nunmehr direkt einen Rentenantrag stellen. Der Antrag ist bei der jeweiligen Alterskasse zu stellen. Unter nachstehendem Link finden Sie das Antragsformular:

    <link https: www.svlfg.de serv01_formulare serv0103_leist serv010302_ak>www.svlfg.de/60-service/serv01_formulare/serv0103_leist/serv010302_ak/01_Rentenantraege/01_AL03001_LW_ABCDN.pdf

    Die dort enthaltenen Anlagen C und D, die die Abgabe des Unternehmens und von gepachteten Flächen betreffen, müssen nach aktueller Rechtslage nicht mehr beigefügt werden!

    Was können Sie tun, wenn sich die Behörde weigert, über Ihren neuen Antrag zuentscheiden?
    Schon in der kurzen Zeit, die seit dem Beschluss des BVerfG vergangen ist, sind uns in unserer Praxis verschiedentlich Fälle geschildert worden, in denen es trotz der eindeutigen Aussagen des BVerfG Probleme gab. Sofern Sie die Voraussetzungen des ALG erfüllen, sind Sie jedoch dazu berechtigt, die Rente zu erhalten!

    Sollte innerhalb von sechs Monaten nicht über Ihren Antrag entschieden worden sein, kann eine sog. Untätigkeitsklage erhoben werden (§ 88 Abs. 1 SGG). In Einzelfällen, beispielsweise wenn es um existenzsichernde Leistungen geht, ist auch ein Vorgehen im Eilverfahren denkbar, wenn dem jeweiligen Betroffenen das Abwarten der behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung nicht zugemutet werden kann. Lassen Sie sich dazu von uns als Fachleuten beraten!

  2. Fall:
    Sie haben in den letzten vier Jahren einen Antrag auf Bewilligung von Rente gestellt; der Antragwurde endgültig abgelehnt; Rechtmittel wurden nicht eingelegt (-> falls Rechtmittel eingelegt wurden und ein Verfahren noch läuft, siehe Ziffer 3. und 4.)

    Überprüfungsanspruch nach § 44 SGB X

    Nach § 44 SGB X besteht die Möglichkeit, einen sog. Überprüfungsantrag zu stellen, damit einrechtswidriger Verwaltungsakt – nämlich zum Beispiel die Ihnen zu Unrecht erteilte Rentenablehnung –zurückgenommen wird. Mit einem solchen Überprüfungsantrag kann bewirkt werden, dass der ablehnende Bescheid zurückgenommen wird mit der Folge, dass Ihnen rückwirkend für die Vergangenheit die Rente ausgezahlt wird. Allerdings ist diese rückwirkende Auszahlung auf einen Zeitraum von vier Jahren ab der Rücknahme bzw. Antragstellung begrenzt. Der Überprüfungsantrag ist bei der jeweiligen Alterskasse zu stellen.

    Ein Muster können Sie sich unter folgendem Link herunterladen:
    <link file:285>www.meisterernst.de/fileadmin/website-meisterernst/media/download/hofabgabe/Antrag_nach_Paragraph_44.pdf

    Sollte innerhalb von sechs Monaten nicht über Ihren Antrag entschieden worden sein, kann eine sog. Untätigkeitsklage erhoben werden (§ 88 Abs. 1 SGG) (siehe Ziffer 1).

  3. Fall:
    Sie sind Antragsteller oder Kläger in einem laufenden/ruhenden (Gerichts-)Verfahren:

    Sofern bereits ein behördliches oder gerichtliches Verfahren über Ihren Rentenanspruch läuft oder ein solches Verfahren mit Blick auf die Entscheidung des BVerfG ruhend gestellt war, geht es jetzt folgendermaßen weiter:

    Das Verfahren bei der Behörde/ dem Gericht wird fortgeführt und die Behörde/das Gericht muss unter Beachtung der Rechtsauffassung des BVerfG Ihren Fall entscheiden. Mit anderen Worten: sofern Sie die übrigen Voraussetzungen für den Rentenanspruch erfüllen, wird das Gericht Ihnen diese Rente auch zusprechen. Es kann allerdings nicht gesagt werden, wie lange die Gerichte für eine Entscheidung jeweils brauchen werden.

    Sie müssen jedenfalls keine weiteren Anträge stellen, die Verfahren laufen „automatisch“ weiter. Bitte beachten Sie jedoch, dass Sie mitteilen müssen, falls Sie zwischenzeitlich doch schon eine Rente erhalten haben sollten.

  4. Fall:
    Sie haben Verfassungsbeschwerde erhoben

    Neben der Verfassungsbeschwerde, über welche das BVerfG jetzt entschieden hat, sind auch noch andere, weitere Verfassungsbeschwerden mit gleichem Inhalt und Ziel beim BVerfG anhängig.

    Es ist nicht zu erwarten, dass das BVerfG in diesen Fällen anders entscheiden wird. Es wird also auch dabei zu dem Ergebnis kommen, dass die Hofabgabeklausel verfassungswidrig ist.

    Sollten Sie zu den Beschwerdeführern in einem dieser weiteren Verfahren gehören, ist allerdings noch ein bisschen Geduld gefragt. Denn über diese weiteren Verfassungsbeschwerden muss das BVerfG ebenfalls noch entscheiden. Zuvor müssen dafür noch bestimmte Stellen angehört und allen Seiten rechtliches Gehör gewährt werden, um auch diese Verfahren zu einem ordnungsgemäßen Abschlusszu bringen. Wie lange genau es bei diesen Verfassungsbeschwerden noch bis zu einer Entscheidung dauert, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Sie müssen jedenfalls keine weiteren Anträge stellen, die Verfahren laufen „automatisch“ weiter.

Bei Fragen zur Ihrem Rentenanspruch stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung!

Münster, 22.08.2018

Jutta Sieverdingbeck-Lewers, Rechtsanwältin und Notarin
Fachanwältin für Agrarrecht