Landwirtschaftsrecht / Agrarrecht

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Toleranzmarge muss beachtet werden

Im Rahmen einer Vor-Ort-Kontrolle werden regelmäßig Flächen vermessen, um die Angaben, die der Landwirt in seinem Antrag im Hinblick auf die Flächengröße gemacht hat, zu überprüfen. Dabei nutzen die Prüfer regelmäßig ein GPS-Gerät. Die Messergebnisse, die von dem Gerät ermittelt werden, sind aber keineswegs so genau, wie von den Prüfern häufig behauptet wird. Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt und schreibt daher die Berücksichtigung einer Toleranzmarge vor. Diese Vorgabe wird häufig nicht beachtet.

Die Behörden vertreten gegenüber den Landwirten regelmäßig die Auffassung, dass die von den GPS-Geräten selbst ermittelten Toleranzmargen nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sich die Angabe des Landwirtes im Hinblick auf die Flächengröße innerhalb der Toleranzmarge hält. In diesem Fall werden von den Antragsangaben keine Abzüge vorgenommen und somit auch keine Sanktionen verhängt. Liegt die Flächenangabe im Antrag aber außerhalb der Toleranzmarge, so wird das vom GPS-Gerät ausgeworfene Messergebnis als festgestellte Flächengröße unterstellt. Die Differenz zur Größenangabe im Antragsformular wird dann in Abzug gebracht. Zusätzlich werden ggf. Sanktionen verhängt. Diese Vorgehensweise hat das Verwaltungsgericht Oldenburg in einer Entscheidung vom 29.04.2010 Az. 12 A 530/07 für rechtswidrig angesehen. Die Toleranzmarge berücksichtige, dass – insbesondere bei unregelmäßigen Flächenzuschnitten – eine exakte Größenbestimmung durch das GPS-Gerät nicht möglich ist. Folglich müsse die Toleranzmarge auch in den Fällen berücksichtigt werden, in denen die vom Landwirt angegebene Flächengröße außerhalb der Toleranz liege. Dies bedeutet im Ergebnis, dass die Flächendifferenz, die von der Behörde von den Antragsangaben in Abzug gebracht wird und die Grundlage für die Berechnung der Sanktion ist, sich verkleinert.

Die Toleranzmarge, die bei jeder einzelnen Fläche, die vermessen worden ist, eine relativ geringe Fläche umfasst, kann sich aber dann, wenn bei einem Landwirt sämtliche Antragsflächen vermessen worden sind, erheblich zugunsten des Landwirts auswirken. Die Summe der von der Toleranzmarge erfassten Flächenanteile ist nicht nur prämienfähig sondern sie vermindert auch die Summe der nicht anerkannten Flächenanteile. Bei der Verhängung von Sanktionen sind jedoch von der Behörde bestimmte Sanktionsgrenzen zu beachten. So wird eine Sanktion erst dann verhängt, wenn die Summe der nicht anerkannten Flächen über 3 % der anerkennungsfähigen Flächen oder über 2 ha liegt. Die vollständige Streichung der beantragten Prämie erfolgt erst dann, wenn die Summe der nicht anerkannten Flächen mehr als 20 % der anerkennungsfähigen Antragsflächen ausmacht. Die Toleranzmarge kann somit im Einzelfall dazu führen, dass diese Grenzen nicht überschritten sind. Werden gar von der Behörde Prämien für mehrere Jahre zurückverlangt, kann sich hierdurch die Rückforderungssumme erheblich verringern. So reduzierte allein die Berücksichtigung der Toleranzmarge in dem vom Verwaltungsgericht Oldenburg entschiedenen Fall die Rückforderungssumme um rund 14.000,00 €.

Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Oldenburg ist von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen ein Rechtsmittel eingelegt worden, über das das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht entscheiden wird. Landwirte sollten aber bereits vor rechtskräftiger Entscheidung in diesem Verfahren darauf bestehen, dass die Toleranzmargen berücksichtigt werden. Ggf. sollte durch Einlegung von Rechtsmitteln das Verfahren bis zur Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht offen gehalten werden.

Münster, 19.10.2010

Dr. Frank Schulze, Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht