Landwirtschaftsrecht / Agrarrecht

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Der enttäuschte Hofanwärter (Ein Beitrag zur Höfeordnung)

Die Übergabe eines landwirtschaftlichen Betriebes in die nächste Generation fällt vielen Landwirten nicht leicht. Dies kann aus Sicht des Altbauern durchaus nachvollziehbare Gründe haben. Dennoch sollten die Interessen des Jungbauern nicht unberücksichtigt bleiben. Dieser richtet im Regelfall seine berufliche und ab einem bestimmten Lebensalter auch seine gesamte Lebensplanung auf die Übernahme des Betriebes aus. In derartigen Fällen kann es zu großen Problemen kommen, wenn sich Alt- und Jungbauer entfremden. Wird dann eine dritte Person in einem Testament oder Erbvertrag als Erbe eingesetzt, steht der Jungbauer nach Eintritt des Erbfalles buchstäblich „mit leeren Händen“ dar. Es stellt sich dann die Frage, ob das Vertrauen des Jungbauern, dass er den Hof erhält, durch die Rechtsordnung geschützt wird.

Im Geltungsbereich der Nordwestdeutschen Höfeordnung wird der Jungbauer in den Fällen geschützt, in denen ihm vor dem Erbfall der Hof – z. B. durch einen Pachtvertrag – zur Bewirtschaftung überlassen worden war. In diesen Fällen kann ihm sein Erbrecht durch letztwillige Verfügung des Altbauern – also durch Testament oder Erbvertrag – nicht mehr genommen werden.

Dieser Schutz versagt jedoch, wenn sich im Pachtvertrag eine ausdrückliche Bestimmung findet, wonach durch die Verpachtung keine Hoferbenbestimmung vorgenommen werden sollte. Ferner hat der Altbauer die Möglichkeit, den Hofvermerk im Grundbuch löschen zu lassen, so dass die Höfeordnung nicht mehr zur Anwendung kommt. In diesen Fällen und in allen Fällen, in denen der landwirtschaftliche Betrieb außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches der Nordwestdeutschen Höfeordnung liegt, gibt es keine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung, die den Jungbauern schützt.

Da die Schutzwürdigkeit des Jungbauern jedoch in vielen Fällen offensichtlich ist, hilft die Rechtsprechung mit einem Rückgriff auf allgemeine Rechtsgrundsätze. In der langjährigen Einbeziehung des Jungbauern in die Bewirtschaftung des Hofes durch den Altbauern wird zu-nächst der Abschluss eines Vorvertrages zum Abschluss eines Hofübergabevertrages gesehen. Ein derartiger Vorvertrag bedarf eigentlich der notariellen Beurkundung. Dem Altbauern bzw. dem von ihm eingesetzten Erben wird jedoch die Berufung auf die Formunwirksamkeit des Vorvertrages versagt. Dies folge aus dem Grundsatz von Treu und Glauben. Der Jungbauer kann daher auf der Grundlage des Vorvertrages den Abschluss eines Hofübergabevertrages verlangen. Diese Rechtsprechung bezieht sich zunächst auf Fälle aus dem Bereich der Nordwestdeutschen Höfeordnung. Eine Anwendung dieser Rechtsgrundsätze außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieser Rechtsordnung ist bisher nicht erfolgt. In derartigen Fällen muss man daher darauf abstellen, dass die letztwillige Verfügung des Altbauern, mit dem eine andere Person als Erbe eingesetzt wird, sittenwidrig und daher unwirksam ist.

Die Anwendung dieser Rechtsprechung setzt voraus, dass der Jungbauer den Hof zum Zeitpunkt des Erbfalles noch bewirtschaftet. Auf eine besondere Schutzwürdigkeit kann er sich nicht berufen, wenn der Altbauer einen nachvollziehbaren Grund für die Einsetzung eines anderen Erben hatte. Dies wird beispielsweise angenommen, wenn der Jungbauer schlecht wirtschaftet, alkoholkrank oder überschuldet ist. In diesen Fällen verbleiben dem enttäuschten Hofanwärter nur seine allgemeinen erbrechtlichen Pflichtteils- und insbesondere Ausgleichsansprüche.

Fazit:

Der Jungbauer ist bei einer Verzögerung der Hofübergabe nicht völlig schutzlos gestellt. Zur Vermeidung von langjährigen Auseinandersetzungen sollte jedoch rechtzeitig ein Hofübergabe- oder Erbvertrag abgeschlossen werden.

Münster, 01.03.2004

Dr. Frank Schulze, Rechtsanwalt