Landwirtschaftsrecht / Agrarrecht

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Sanktionsfalle Agrarreform!

Die Agrarreform, die jetzt im Jahr 2015 umgesetzt werden wird, hat es in sich. Betrachtet man die zahlreichen neuen Regelungen, so stellt man einen Paradigmenwechsel fest, der gravierende Auswirkungen für jeden einzelnen Landwirt haben wird. Bei der letzten Agrarreform 2005 stand die Entkopplung im Vordergrund, also die Ersetzung der produktionsbezogenen Prämien durch eine Einkommensbeihilfe. Konsequenz war, dass im Rahmen der Vor-Ort-Kontrollen die Frage, was und insbesondere wie angebaut wurde – abgesehen von den cross-compliance-Regelungen – keine Rolle mehr gespielt hat. Dies hat zu einer erheblichen Verwaltungsvereinfachung und darüber hinaus zu einer größeren Rechtssicherheit bei den Landwirten geführt.

Damit ist es jetzt vorbei. Das Pendel schlägt zurück, und zwar gewaltig. Der Gedanke der Einkommensbeihilfe wird in weiten Bereichen des neuen Systems fallen gelassen. Nunmehr steht im Vordergrund, dass die Landwirte für die Prämien eine Gegenleistung zu erbringen haben. Die Betriebsprämie wird zur Basisprämie und dabei auf etwa die Hälfte gekürzt. Landwirte, die diesen Einkommensverlust nicht hinnehmen wollen oder können, müssen nunmehr so genannte Umweltleistungen, die umgangssprachlich als Greening bezeichnet werden, erbringen:

  • Erhalt von Dauergrünlandflächen,
  • so genannte Anbaudiversifizierung und
  • Bereitstellung so genannter ökologischer Vorrangflächen.

Die Prüfung, ob diese Umweltleistungen von dem Landwirt korrekt erbracht worden sind, wird in den zukünftigen Vor-Ort-Kontrollen einen erheblichen Raum einnehmen. Konflikte zwischen Prüfern und Landwirten sind vorprogrammiert. Dabei wird die Rechtsunsicherheit der Landwirte noch durch eine neu ins Gesetz aufgenommene Umgehungsklausel verstärkt. Danach werden keine Prämien gewährt, wenn festgestellt wurde, dass ein Landwirt die Voraussetzungen für den Erhalt der Prämie künstlich, den Zielen des Gesetzes zuwiderlaufend geschaffen hat. Was nun »künstlich« und »den Zielen des Gesetzes zuwiderlaufend« ist, besagt das Gesetz aber nicht. Hier müssen sich zunächst eine Verwaltungspraxis bei den Landwirtschaftsbehörden und nachfolgend eine Rechtsprechungspraxis bei den Verwaltungsgerichten herausbilden. Dem Landwirt drohen aber bereits jetzt Prämienkürzungen und Sanktionen.

Der Landwirt muss sich somit beraten lassen. Dies geschieht regelmäßig durch Vertreter der Landwirtschaftsbehörden. Häufig entsteht nach Kürzungen in den Prämienbescheiden Streit darüber, ob der erteilte Rat fehlerhaft war. Grundsätzlich kann sich der Landwirt nämlich auf eine fehlerhafte Beratung durch die Behörde berufen. In diesem Fall trifft ihn keine Schuld für eine fehlerhafte Antragstellung. Die Verhängung einer Sanktion muss dann unterbleiben. Allerdings gibt es hier zwei gravierende Probleme. Zum einen muss der Landwirt beweisen, dass er dem Berater den zu klärenden Sachverhalt vollständig dargelegt hat. Zum anderen muss er auch beweisen, welcher Rat konkret erteilt worden ist.

Landwirte sollten daher möglichst mit einer weiteren Person zu einer Beratung erscheinen. Dies hilft zum einen Missverständnisse zu vermeiden, zum anderen lassen sich der Verlauf der Beratung und der erteilte Rat später beweisen. Denkbar wäre es auch, dass über das Beratungsgespräch ein kurzes Protokoll angefertigt wird, welches der Berater und der Landwirt unterzeichnen. Dies ist aber in der Beratungssituation unüblich. Sinnvoll ist es in jedem Fall, nach der Beratung kurz schriftlich festzuhalten, welcher Rat erbeten wurde und welcher Rat erteilt worden ist. Dies kann dem Berater dann per Post oder auch per E-Mail zur Kenntnisnahme zur Verfügung gestellt werden. Er hat dann die Möglichkeit, seinen Rat zu ergänzen oder abzuändern. Kommt es später zum Streit über den tatsächlich erteilten Rat, kann der Landwirt auf dieses Bestätigungsschreiben verweisen. Die Beweissituation verbessert sich für ihn damit erheblich.

Münster, 06.01.2015

Dr. Frank Schulze, Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht