Landwirtschaftsrecht / Agrarrecht

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Problem Filtererlass - Stellen Abluftfilter in Schweinehaltungsanlagen den Stand der Technik dar?

Bisher war in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass Abluftfilter in Schweinehaltungsanlagen nicht den Stand der Technik darstellen. Diese Rechtsprechung hatte zum einen erhebliche Bedeutung in immissionsschutzrechtlichen und auch baurechtlichen Genehmigungsverfahren. Anlagen, die neu errichtet werden, müssen nämlich dem Stand der Technik entsprechen. Zum anderen können die zuständigen Behörden auch bei bestehenden Anlagen nachträglich Anordnungen erlassen, wenn eine Anlage nicht mehr dem Stand der Technik entspricht. Nach der bisherigen Rechtsprechung konnten die Behörden somit dann, wenn das Ausmaß der durch den Betrieb des geplanten Stalles voraussichtlich entstehenden Immissionen unterhalb der Grenzwerte lag, den Einbau eines Abluftfilters nicht verlangen. Die Bundesländer NRW und Niedersachsen versuchen nun, durch sogenannte »Filtererlasse« hier eine Änderung herbeizuführen. Ab einer gewissen Größe sollen Schweinehaltungsanlagen immer mit einem Abluftfilter versehen werden, da dies nach der Auffassung der zuständigen Ministerien dem Stand der Technik nunmehr entspreche. Die bisherige Rechtsprechung soll damit ausgehebelt werden. Die Genehmigungsbehörden – also die Landkreise und kreisfreien Städte – sind an diese Erlasse gebunden. Ob entsprechende Entscheidungen der Behörden dann, wenn sie von betroffenen Landwirten in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren angefochten werden, Bestand haben, ist keineswegs sicher.

Was also ist »Stand der Technik«? In der Anlage zu § 3 Abs. 6 Bundesimmissionsschutzgesetz sind für die Bestimmung des Standes der Technik u.a. folgende Kriterien genannt:

  • vergleichbare Verfahren, Vorrichtungen und Betriebsmethoden, die mit Erfolg im Betrieb erprobt wurden,
  • Fortschritte in der Technologie und in den wissenschaftlichen Erkenntnissen,
  • Art, Auswirkungen und Menge der jeweiligen Immissionen.

Auf diese Kriterien wird von den Ministerien in ihrem jeweiligen Filtererlass ausdrücklich hingewiesen. Allerdings besagt das Gesetz, dass diese Kriterien in einer ganz bestimmten Art und Weise anzuwenden sind, nämlich unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Nutzen möglicher Maßnahmen. Gerade hier liegt das Problem.

Sowohl das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht als auch das Oberverwaltungsgericht für das Land NRW sind nämlich bisher davon ausgegangen, dass der Einbau und der Betrieb von Abluftfilteranlagen derart hohe Kosten verursacht, dass es einem Landwirt nicht zumutbar sei, derartige Abluftfilter einzubauen, wenn durch den Betrieb der Anlage im Übrigen die Grenzwerte eingehalten werden. Aus dem jeweiligen Filtererlass der beiden Bundesländer ergibt sich nicht, auf welche vermeintlich neuen Erkenntnisse sich die Ministerien berufen, wenn sie davon ausgehen, dass nun der Einbau von Abluftfiltern in Schweinehaltungsanlagen ab einer bestimmten Größe dem Stand der Technik entspreche. Berechnungsbeispiele werden in dem Erlass nicht gegeben. Vor diesem Hintergrund ist es sehr fraglich, ob die Verwaltungsgerichtsbarkeit entsprechende Anordnungen im Genehmigungsverfahren oder entsprechende nachträgliche Anordnungen für rechtmäßig halten wird.

Auf der Grundlage dieser Filtererlasse nehmen die zuständigen Behörden in NRW und Niedersachsen zurzeit jeweils Kontakt zu den betroffenen landwirtschaftlichen Betrieben auf und klären, ob ein Abluftfilter eingebaut werden muss. Landwirten sollte dabei immer bewusst sein, dass sich die Behörden nicht auf ein Gesetz sondern lediglich auf eine Weisung des Ministeriums beziehen. Soweit der Landwirt somit mit einer Anordnung der Behörde nicht einverstanden ist, hat er die Möglichkeit, Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht zu erheben. In jedem Falle sollte er sich aber, bevor er eine für ihn sehr aufwändige Anordnung der Genehmigungsbehörde akzeptiert und durchführt, rechtlich beraten lassen.

Münster, 07.01.2015

Dr. Frank Schulze, Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Dipl.-Verwaltungswirt