Landwirtschaftsrecht / Agrarrecht

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Bundesverfassungsgericht erklärt Gesetz über CMA-Beiträge für verfassungswidrig – Milcherzeuger können Rückzahlung verlangen

Das Bundesverfassungsgericht hat durch Urteil vom 03. Februar 2009 (Aktenzeichen 2 BvL 54/06) die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Vorschriften des Absatzfondsgesetzes über die Erhebung von Zwangsbeiträgen zur Finanzierung der Aufgaben der Centralen Marketinggesellschaft rückwirkend seit dem 01. Juli 2002 für verfassungswidrig erklärt. Es handele sich um eine unzulässige Sonderabgabe, bei der es um eine zwangsweise durchgeführte Fördermaßnahme gehe. Für diesen Eingriff in die unternehmerische Freiheit bedürfe es einer besonderen Rechtfertigung, die es jedenfalls bei den heutigen Verhältnissen in der Landwirtschaft nicht mehr gebe.

Die Molkereien stellen mit ca. 35 % der Gesamteinnahmen der CMA in Höhe von ca. 90 Mio. Euro jährlich die größten Beitragszahler dar. Da das Bundesverfassungsgericht die Vorschriften über die Zahlungspflicht rückwirkend für verfassungswidrig erklärt hat, kommen nun erhebliche Rückforderungen auf die CMA zu. Die CMA hat nach eigenen Angaben hierfür bereits Rückstellungen in Höhe von über 100 Mio. Euro bereitgestellt. Rückforderungen können allerdings nur die Molkereien geltend machen, die fristgerecht gegen die jeweils von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung erlassenen Beitragsbescheide Widerspruch eingelegt haben. In den anderen Fällen sind die Beitragsbescheide bestandskräftig geworden, so dass trotz der Verfassungswidrigkeit der Rechtsgrundlage keine Rückzahlung verlangt werden kann.

Die Rechtsfolgen, die sich aus dem Urteil für die Landwirte ergeben, hängen von den Umständen des Einzelfalls ab. Nach den Vorschriften des Absatzfondsgesetzes waren nämlich nicht die Erzeuger, sondern nur die verarbeitenden Betriebe wie die Molkereien oder Schlachtbetriebe zur Zahlung des Beitrags verpflichtet. Die Verpflichtung eines Landwirts zur Erstattung des anteiligen Beitrags an die Molkerei konnte sich gem. § 10 Abs. 7 Absatzfondsgesetz nur aus einer Vereinbarung zwischen der Molkerei und dem Erzeuger ergeben.

In Praxis wurden die CMA-Beiträge überwiegend von den Lieferanten an die Molkereien erstattet, indem der anteilige Beitrag von dem Milchgeld abgezogen wird. Insbesondere bei den meisten Genossenschaftsmolkereien existieren dazu Regelungen in der Milchlieferordnung, wonach eine Erstattung der von der Molkerei zu zahlenden CMA-Beiträge durch den Lieferanten als vereinbart gilt. Enthält hingegen weder die Satzung noch die Milchlieferordnung eine entsprechende Regelung, kann eine Zahlungsverpflichtung des Landwirts – ebenso wie bei Lieferverträgen mit Privatmolkereien – nur durch eine Vereinbarung, der beide Seiten zugestimmt haben, begründet werden.

War die Erstattung der CMA-Beiträge durch den Lieferanten vereinbart und wurde dies in den Milchgeldabrechnungen entsprechend ausgewiesen, so folgt aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass der Landwirt die von seinem Milchgeld einbehaltenen CMA-Beiträge von der Molkerei zurückfordern kann, weil die Molkerei ihrerseits nicht zur Zahlung der Beiträge verpflichtet war. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Molkerei fristgerecht Widerspruch gegen die Beitragsbescheide eingelegt hat. Wenn die Molkerei hingegen nicht Widerspruch eingelegt hatte, könnte sie sich darauf berufen, dass die Beitragspflicht alleine aus dem bestandskräftigen Bescheid folgt, so dass die Molkerei trotz der Verfassungswidrigkeit des Absatzfondsgesetzes zur Zahlung verpflichtet war und deshalb die Erstattung von dem Lieferanten verlangen konnte. Selbst wenn diese Argumentation durchgreifen sollte, könnte dem allerdings wiederum entgegen gehalten werden, dass die mögliche Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelungen spätestens seit dem Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Köln im Jahr 2006 in Fachkreisen bekannt war und deshalb eine Verpflichtung bestand, vorsorglich zur Wahrung der Rechte Widerspruch gegen alle Bescheide einzulegen.

Anscheinend hatte der Bauernverband den verarbeitenden Unternehmen ausdrücklich dazu geraten, mangels Erfolgsaussichten keinen Widerspruch gegen die Beitragsbescheide einzulegen, wodurch er offenkundig gegen die Interessen der Landwirte gehandelt hätte. Unabhängig von der Frage, ob der Lieferant einen Rückzahlungsanspruch gegen die Molkerei hat, stellt sich daher bei Genossenschaftsmolkereien die Frage, ob sich der Vorstand schadensersatzpflichtig gemacht hat, wenn er gegen die Beitragsbescheide nicht Widerspruch eingelegt hat, weil die mögliche Verfassungswidrigkeit der Beitragspflicht zumindest seit dem Jahr 2006 bekannt war. Denn das Vermögen der Molkerei hat sich durch das Unterlassen der Einlegung von Widersprüchen gegen die Beitragsbescheide auf jeden Fall vermindert. Einzelne Mitglieder der Genossenschaft können allerdings grundsätzlich keine Schadensersatzansprüche gegen Vorstände geltend machen, sondern – je nach Satzung – nur der Aufsichtsrat aufgrund einer Ermächtigung durch die Generalversammlung.

In den Fällen, in denen die Erstattung der CMA-Beiträge durch den Lieferanten nicht vereinbart war und entsprechend auch nicht in den Milchgeldabrechnungen ausgewiesen wurde, kommen Ansprüche des Lieferanten gegen die Molkerei in der Regel nicht in Betracht, da natürlich nichts zurückgefordert werden kann, was überhaupt nicht bezahlt wurde. Insbesondere bei Lieferverträgen mit Privatmolkerein wurde häufig keine gesonderte Erstattung der CMA-Beiträge seitens des Lieferanten vereinbart. In diesen Fällen profitieren die Lieferanten also nicht von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, sofern nicht aus den Bedingungen des Milchliefervertrages ausnahmsweise Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, dass solche Vermögensvorteile der Molkerei an die Lieferanten weiterzuleiten sind (z.B. bei vertraglich geregelten Nachzahlungen).

Münster, 05.02.2009

Dr. Dirk Schuhmacher, Rechtsanwalt