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Mögliche Testierunfähigkeit wegen Demenz - Wann gilt das Testament?

<link https: www.meisterernst.de newsletter mdm-newsletter-agrar-2018-01.html _top>aus: Newsletter Agrarrecht 10/2018

Der Verlust eines Familienmitglieds erschüttert wohl die ganze Familie gleichermaßen und kann oft dazu führen, dass die übrigen Familienmitglieder enger zusammen rücken. Wenn es allerdings viel zu vererben gibt, etwa große landwirtschaftliche Flächen, kann leicht Streit zwischen den möglichen Erben auftreten. Besonders erbittert können solche Konflikte geführt werden, wenn der/die Verstorbene die Kinder in einem Testament ungleich bedenkt, obwohl zu Lebzeiten zu allen ein gutes Verhältnis bestand und auch sonst eigentliche immer alle gleich behandelt wurden.

Grundsätzlich kann der/die Verstorbene (Erblasser) natürlich frei entscheiden, wem er was hinterlassen will. Damit seine nächsten Angehörigen nicht völlig leer ausgehen gibt es das sog. Pflichtteilsrecht.

Wenn der/die Verstorbene allerdings unter Demenz oder einer ähnlichen Erkrankung litt, die sich stark auf Denkprozesse auswirkt, kann es sein, dass das von ihm/ihr errichtete Testament unwirksam ist, weil er/sie nicht mehr in der Lage war, zu verstehen, was angeordnet wird. Wenn in einem Testament etwa zunächst alle Kinder zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt werden und dann durch sogenannte Vorausvermächtnisse eine sehr ungleiche tatsächliche Verteilung zwischen den Erben bewirkt wird, steht zu vermuten, dass ein derart erkrankter Mensch höchstens die Einsetzung zu gleichen Teilen versteht, die gegenteiligen Auswirkungen der weiteren Anordnungen aber nicht mehr. Schnell entsteht in solchen Fällen der Verdacht, dass der Inhalt des Testaments eher von dem begünstigten Kind stammt als vom Erblasser.

Dieses Risiko erscheint umso größer, da ein so kranker Erblasser wohl selten ein eigenhändiges Testament errichten wird, das er persönlich niederschreiben müsste.

Stattdessen wird ein öffentliches Testament errichtet, bei dem der Notar / die Notarin ein vorformuliertes Testament verlesen kann und der Erblasser nur noch durch seine Unterschrift bestätigen muss, dass das Vorgelesene seinem Willen entspricht.

Der Notar/die Notarin sollte natürlich prüfen, ob der Erblasser testierfähig ist und versteht, was ihm vorgelesen wurde und was er testiert. Die tatsächlichen Möglichkeiten sind aber begrenzt: So kann er häufig nichts über etwaigen Erkrankungen wissen und wenn der Erblasser behauptet, den Inhalt des Testaments und die Erklärungen der Notarin/des Notars verstanden zu haben, muss dieser sich ein Stück weit darauf verlassen.

Wann also gilt jemand als testierunfähig?

Testierunfähig ist man gemäß § 2229 Abs. 4 BGB wenn man nicht mehr versteht, dass man überhaupt eine rechtlich wirksame Erklärung abgibt oder was genau man erklärt.

Die Gerichte haben zudem weitergehende Anforderungen an das Verstehen der abgegebenen Erklärung gestellt:

Das OLG Hamm führt zu Testierfähigkeit aus:

„Testierfähigkeit setzt nach allgemeiner Meinung die Vorstellung des Testierenden voraus, dass er ein Testament errichtet hat und welchen Inhalt die darin enthaltenen letztwilligen Verfügungen aufweisen. Er muss in der Lage sein, sich ein klares Urteil zu bilden, welche Tragweite seine Anordnungen haben, insbesondere, welche Wirkung sie auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen ausüben. Das schließt auch die Gründe ein, welche für und gegen die Anordnung sprechen.“

-> OLG Hamm, Urteil v. 07.12.2016,11U 41/07, juris Rn. 213

Dies setzt voraus, dass der Erblasser etwa erkennt, dass er seine Kinder ungleich behandelt, dass er sich im Klaren darüber ist, was es wirtschaftlichen bedeutet, wenn er beispielsweise dem einen Kind Land zuwendet, das von einem anderen Kind gepachtet wird und dass er sich selbst im Klaren darüber ist, warum ein Kind bevorzugt wird.

Menschen, die unter schwerwiegender Demenz leiden, sind also testierunfähig, weil sie nötige Abwägungen nicht mehr vornehmen könne.

Dies betrifft jedoch nicht nur Demenzpatienten, sondern auch Menschen, die etwa unter schweren psychischen Erkrankungen oder in Folge von Operationen an Verwirrtheitszuständen leiden.

Entscheidend ist der Zustand des Erblassers zu dem Zeitpunkt in dem er das Testament errichtet.

Welche Auswirkungen hat die Testierunfähigkeit auf das Testament und die Erbfolge?

Wenn der Erblasser testierunfähig war, als er ein Testament errichtet hat, ist dieses Testament unwirksam. Es gilt dann entweder ein früheres Testament, oder -wenn es keins gibt- die gesetzliche Erbfolge. Im Fall der gesetzlichen Erbfolge sind die Erben meist die Kinder des Verstorbenen und gegebenenfalls der Ehepartner. Im Falle eines Hofes i. S. der HöfeO richtet sich die Hoferbfolge jedoch nach dieser.

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Münster, 25.10.2018

Mechtild Düsing, Fachanwältin für Verwaltungs- Erb- und Agrarrecht