Landwirtschaftsrecht / Agrarrecht

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Haftung für Dritte bei cross-compliance-Verstößen?

Ein Landwirt macht nicht alles selbst. Er ist auf die Hilfe von Familienangehörigen, Mitarbeitern und Lohnunternehmern angewiesen. Welche Konsequenzen hat es aber, wenn diese Personen einen Fehler machen und die zuständige Behörde diesen als einen cross-compliance-Verstoß wertet? Können dann gegen den Betriebsinhaber Sanktionen in Form von Prämienkürzungen und ggf. auch Bußgelder verhängt werden?

Das europäische Recht regelt im Hinblick auf die Prämienkürzungen nur den Fall, dass der Betriebsinhaber selbst Fehler begangen hat. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, wonach sich der Betriebsinhaber das Verhalten einer anderen Person zurechnen lassen muss, enthält das europäische Recht nicht. Dennoch hat die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte bisher kein Problem darin gesehen, das Fehlverhalten eines Dritten dem Betriebsinhaber zuzurechnen und entsprechende Sanktionen für rechtmäßig zu erachten. Teilweise wurde danach auf nationale zivilrechtliche Regelungen Bezug genommen, die u.a. Haftungsfragen innerhalb eines Vertragsverhältnisses regeln. Diese zweifelhafte Rechtsprechung ist nun überholt.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich in seiner Entscheidung vom 27.02.2014 (C – 396/12) mit dieser Problematik befasst. Mangels einer europarechtlichen Norm hat sich der EuGH mit der Frage der Zurechnung des Verhaltens eines Dritten erst gar nicht aufgehalten, sondern sogleich festgehalten, dass eine Sanktionierung zum Nachteil des Betriebsinhabers nur dann möglich ist, wenn dessen Verhalten selbst schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig gewesen sei. Allerdings sei das Verhalten des Betriebsinhabers auch dann relevant, wenn es nicht unmittelbar dem Verstoß zugrunde gelegen habe. Vielmehr könnten auch eine fehlerhafte Auswahl eines Dritten, dessen unzureichende Überwachung oder die ihm gegebenen unzureichenden Anweisungen ursächlich für den Verstoß gewesen sein. Dabei komme es nicht darauf an, dass das Verhalten des tatsächlich Handelnden schuldhaft gewesen sei. Ausreichend sei ein Fehler des Betriebsinhabers bei der Auswahl, der Überwachung oder im Rahmen der gegebenen Anweisungen. Landwirte, die von dieser Problematik betroffen sind, sollten daher im Anhörungsverfahren – ggf. mit anwaltlicher Hilfe – umfassend vortragen. Dabei muss insbesondere die Qualifikation des handelnden Dritten sowie die Dauer des Zeitraumes, in dem bisher fehlerfrei gearbeitet worden ist, herausgestrichen werden.

Ab dem 01.01.2015 ist im Wege der Agrarreform noch eine weitere hier bedeutsame Regelung eingeführt worden. Danach kommt die Verhängung einer Verwaltungssanktion bei einem Verstoß gegen cross-compliance-Vorschriften nur dann in Betracht, wenn das Verhalten, das zu dem Verstoß geführt hat, dem Landwirt unmittelbar anzulasten ist. Vor dem Hintergrund dieser neuen Regelung wird das Verhalten eines von dem Landwirt beauftragten Dritten nur im Ausnahmefall zu einer Sanktion gegen den Landwirt führen können. Diese neue Regelung kommt im Übrigen auch den Landwirten zugute, bei denen entsprechende Rechtsmittelverfahren am 01.01.2015 noch nicht abgeschlossen sind.

Soweit die zuständige Fachbehörde ein Ordnungswidrigkeitenverfahren mit dem Ziel der Verhängung eines Bußgeldes gegen den Betriebsinhaber eingeleitet hat, sollte auch hier mit Nachdruck darauf hingewiesen werden, dass der Betriebsinhaber selbst nicht gehandelt und die handelnde Person in ihre Tätigkeit fachlich einwandfrei eingewiesen hat. Auch das nationale Ordnungswidrigkeitenrecht sieht nämlich von wenigen Ausnahmen – die hier nicht einschlägig sind – abgesehen, die Verhängung einer Geldbuße nur für den Fall vor, dass die beschuldigte Person selbst gehandelt hat.

Münster, 06.01.2015

Dr. Frank Schulze, Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht