Landwirtschaftsrecht / Agrarrecht

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Landwirtschaftsrecht / Agrarrecht
Geruchsbelastungen von mehr als 25 % der Jahresstunden im Außenbereich in Ausnahmefällen zumutbar

Baurechtlich gilt im nachbarschaftlichen Verhältnis das Gebot der Rücksichtnahme. Bei der Errichtung von Tierhaltungsanlagen ist im Hinblick auf die entstehenden Geruchsemissionen die von einem sachverständigen Gremium entwickelte Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) zu beachten. Diese legt in ihren Auslegungshinweisen für den Außenbereich einen Grenzwert für den Umfang der Geruchsimmissionen fest, der von benachbarten Grundstücken, die zu Wohnzwecken genutzt werden, akzeptiert werden muss. Dieser Grenzwert beläuft sich auf 25 % der Jahresstunden. Dabei geht die GIRL davon aus, dass das Wohnen im Außenbereich mit einem immissionsschutzrechtlich geringeren Schutzanspruch verbunden sei.

Allerdings wird in den Auslegungshinweisen der GIRL bereits eine Ausnahme von diesem Grenzwert für den Fall gemacht, dass das betreffende Grundstück in der Nachbarschaft nicht nur zu Wohnzwecken, sondern selbst auch landwirtschaftlich zur Tierhaltung genutzt wird. Diese Ausnahme wird auch von der Rechtsprechung weitestgehend anerkannt. So hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen bereits in einem Beschluss vom 18.03.2002 - 7 B 315/02 - darauf hingewiesen, dass ein Bauherr nicht gehalten ist, im Interesse der Rücksichtnahme auf den benachbarten landwirtschaftlichen Betrieb die Entwicklung des eigenen Betriebes zurückzustellen. Der benachbarte Betrieb sei aufgrund der von ihm selbst betriebenen Tierhaltung, welche ebenfalls Geruchsemissionen verursache, nicht in gleichem Umfange schutzwürdig wie ein Nachbar, der sein Grundstück lediglich zu Wohnzwecken nutze. Das Oberverwaltungsgericht hielt Belastungen von mehr als 50 % der Jahresstunden für diesen benachbarten landwirtschaftlichen Betrieb für zumutbar.

Die Auslegungshinweise zur GIRL gehen aber noch weiter. Die Überschreitung des Grenzwertes von 25 % der Jahresstunden ist danach nicht nur dann möglich, wenn auf dem benachbarten Grundstück aktuell Tierhaltung im Rahmen der Landwirtschaft betrieben wird. Vielmehr ist die Schutzwürdigkeit des benachbarten Grundstücks bereits dann erheblich eingeschränkt, wenn auf ihm in der Vergangenheit einmal Tierhaltung im Rahmen der Landwirtschaft betrieben worden ist. Ehemalige Hofstellen sind somit weiter Teil der »Nutzungs- und Risikogemeinschaft« im Außenbereich und daher im Vergleich zu Grundstücken, die in der Vergangenheit nicht für die landwirtschaftliche Tierhaltung genutzt worden sind, weniger schutzwürdig. Dies hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in einem Beschluss vom 06.03.2013 - 1 ME 205/12 - ausdrücklich festgestellt.

Eine eingeschränkte Schutzwürdigkeit besteht im Übrigen auch für Grundstücke, auf denen sich zu Wohnzwecken so genannte Schwarzbauten befinden. Ist für das Bauwerk keine Genehmigung erteilt worden, so kann sich der Eigentümer nicht auf das Gebot der Rücksichtnahme berufen. Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn das ursprünglich genehmigte Wohngebäude durch umfangreiche Umbauten in erheblichem Umfang in seinem Ausmaß und in seiner Gestalt verändert worden ist, ohne dass hierfür eine Baugenehmigung erteilt wurde.

Im Regelfall ist mit dem Antrag auf Erteilung einer baurechtlichen oder immissionsschutzrechtlichen Genehmigung das Gutachten eines Sachverständigen vorzulegen, der im Rahmen einer Ausbreitungsberechnung prüft, ob im Hinblick auf die entstehenden Geruchsemissionen die Grenzwerte auf den benachbarten Grundstücken eingehalten werden. Die Erfahrung zeigt, dass dabei die hier beschriebenen Ausnahmen häufig nicht geprüft und nicht beachtet werden. Kommt der Gutachter somit im Rahmen einer ersten Berechnung zur Überschreitung von Grenzwerten lohnt es sich, die Situation des betreffenden Grundstücks näher vor dem Hintergrund der dargestellten Ausnahmen zu beleuchten.

Münster, 07.01.2015

Dr. Frank Schulze, Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Dipl.-Verwaltungswirt