Landwirtschaftsrecht / Agrarrecht

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Milchabgabenverordnung verfassungswidrig!

Kommentar zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.09.2004, Az. 3 C 35/03 zum Milchquotenrecht und zu Art. 80 GG.

In dem oben zitierten Urteil, in dem unsere Kanzlei den Kläger vertreten hatte, haben wir die Verfassungswidrigkeit der Zusatzabgabenverordnung gerügt.

Es ging vordergründig um den 33 %-Abzug, den ein Verpächter bei Rückgabe einer verpachteten Quote hinnehmen muss. Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte jedoch gemeint, Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG sei verletzt. Das Urteil des Bayerischen VGH war nicht besonders überzeugend, da es den Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG zwar als verletzt ansah, jedoch meinte, die ZAV nicht für nichtig erklären zu können, da dann eine unerträgliche Rechtsunsicherheit auftreten würde.

Wie der Begründung des Bundesverwaltungsgerichts auf Seite 12 ff. zu entnehmen ist, unterfällt die Referenzmenge - gleichgültig ob mit oder ohne Fläche - dem Schutz des Eigentums aus Art. 14 GG im Zusammenhang mit dem Milcherzeugungsbetrieb. An dieser Rechtsprechung hält das Bundesverwaltungsgericht fest. Aus diesem Grunde prüft es dann auch sehr intensiv unsere Angriffe gegen den 1/3-Abzug. Wir hatten damit argumentiert, dass der 1/3-Abzug eine ungerechtfertigte Enteignung darstelle.

Das Gericht führt auf mehreren Seiten ab Seite 12 ff. aus, dass das Eigentumsrecht des Eigentümers an seinem landwirtschaftlichen Betrieb zwar betroffen ist, dass der 1/3-Abzug jedoch noch verfassungsgemäß ist, da er sich innerhalb von Inhalt und Schranken des Eigentumsrechts bewegt. Die Verfassungsmäßigkeit der Regelung setze lediglich voraus, dass sie einen gerechten, namentlich einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen der prinzipiellen Privatnützigkeit des Eigentums und den berechtigten Belangen der Allgemeinheit herstellt. Dies sei gegeben (Seite 15 oben).

Auch sonstige Grundsätze, wie Art. 3 GG, sieht das Bundesverwaltungsgericht nicht verletzt.

Wichtig an dieser Entscheidung ist jedoch, dass das Bundesverwaltungsgericht nach wie vor auch die Milch-Referenzmenge dem Schutz des Art. 14 GG unterstellt!

Ganz besonders aufmerksam muss man jedoch den Punkt II. 5. studieren. Hier macht das Bundesverwaltungsgericht Ausführungen zu Art. 80 GG. Insbesondere auf den Seiten 11 und 12 führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass für den sogenannten "Paradigmenwechsel", der mit der neuen ZAV eingesetzt hat, keine gesetzliche Grundlage mehr gegeben sei. Insofern sei Art. 80 GG wohl verletzt.

Den "Paradigmenwechsel" sieht das Bundesverwaltungsgericht darin, dass das Übertragungssystem, das bisher gültig war (Übertragbarkeit mit der Fläche) durch ein vollständig neues System ersetzt worden ist. Da die Grundrechte des Art. 12 und Art. 14 GG betroffen seien, seien die strengen Anforderungen des Art. 80 GG einzuhalten. Dies hatte im Grunde auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ebenso gesehen. Der Bundesfinanzhof hatte die Frage offen gelassen. Das Bundesverwaltungsgericht führt nun aus:

"Wie erwähnt, enthält Art. 7 Abs. 1 Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 die grundlegenden Bestimmungen über die Übertragbarkeit von Referenzmengen und schreibt namentlich den Grundsatz der nur flächengebundenen Übertragbarkeit von Referenzmengen fest. Dieses Übertragungssystem durch ein anderes zu ersetzen, kommt einem Paradigmenwechsel gleich, und es fragt sich, ob der deutsche Verordnungsgeber von dieser Möglichkeit ohne eine grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers Gebrauch machen durfte. Dem kann nicht entgegengehalten werden, das Übertragungssystem als solches betreffe nur eine nachrangige Frage im Rahmen der Gesamtregelung über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor. Für die Ausübung der Grundrechte, namentlich von Art. 12 und Art. 14 GG, ist das Übertragungssystem von erheblicher Bedeutung, gerade, wenn der Milchmarkt mit Zusatzabgaben und Referenzmengen kontingentiert ist."

In einfacheren Worten bedeutet dies:

Die vollständige Loslösung der Milch-Referenzmenge von der Fläche und der Zwang, die Referenzmengen nur über die Börsen handeln zu können, hätte vom Gesetzgeber entschieden werden müssen. Die entsprechenden Vorschriften, die auf Art. 8a b) Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 gestützt sind, hätten somit vom Bundestag beschlossen werden müssen, eine Rechtsverordnung reichte dafür nicht aus. Dies führt zur Nichtigkeit der entsprechenden Vorschriften (insbesondere § 7 Abs. 1) der ZAV sowie der jetzigen Milchabgabenverordnung. Dies sagt das Bundesverwaltungsgericht zwar in seinem Urteil nicht ausdrücklich - wegen des 33 %igen Abzuges kam es hierauf nicht an - dies ist jedoch die logische Konsequenz aus den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts. Eine Verordnung, die ohne ausreichende Rechtsgrundlage ergangen ist, ist nichtig. Dies ergibt sich auch aus dem in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erwähnten "Legehennenbeschluss" des Bundesverfassungsgerichts vom 06.07.1999 - 1 BvF 3/90.

Das führt nun dazu, dass die alte Flächenbindung der Milch-Referenzmenge, wie sie in den EG-Verordnungen nach wie vor als Regelfall vorgesehen ist, in Kraft bleibt. Übertragungen von Milch-Referenzmengen können daher nach wie vor zusammen mit der Fläche vorgenommen werden. Die vollkommene Trennung der Milch-Referenzmenge von der Fläche - wie sie die ZAV und die Milchabgabenverordnung vorsieht - ist nicht rechtsgültig, sodass es bei der Flächenbindung der EG-Verordnung bleibt.

Die Folge davon ist, dass Art. 7 ZAV bzw. Milchabgabenverordnung wohl nichtig sein dürfte. Das Bundesverwaltungsgericht lässt dies zwar letztlich offen, weil es im vorliegenden Verfahren nicht darauf ankam, unseres Erachtens lassen die Ausführungen in dem Urteil aber keinen anderen Schluss zu. Übertragungen von ganzen Betrieben inklusive Milch-Referenzmenge sind daher nach wie vor ohne Einschränkungen möglich. Dasselbe gilt für Flächen, auf denen Milchquote ruht.

Münster, 01.11.2004

Mechtild Düsing, Rechtsanwältin und Notarin