Landwirtschaftsrecht / Agrarrecht

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Grundsatzurteil des Bundesfinanzhofs zu Kuh- und Stallpachtverträgen

Auf Revision des Hauptzollamtes Oldenburg hin hat der Bundesfinanzhof erstmals eine Grundsatzentscheidung zur Anerkennung von Kuh- und Stallpachtverträgen getroffen. Im Urteil vom 25.09.2007 (Az.: VII R 28/06) hat sich der Bundesfinanzhof ausführlich mit der als ausgesprochen liberal zu bezeichnenden Rechtssprechung des Finanzgerichts Hamburg in diesen Fällen beschäftigt.

Zugrunde lagen zwei Kuh- und Stallpachtverträge zwischen einem Milcherzeuger und zwei anderen Landwirten, die selbst keine eigenen Kühe hatten sondern mit den Kuh- und Stallpachtverträgen über kurze Dauer (einen Monat in dem einen Fall und drei Monate in dem anderen Fall) die ihnen zustehende Milchquote ermelken wollten. Die Betriebe der Pächter lagen 150 bzw. 250 km von der Hofstelle des Verpächters entfernt.

Die Verträge des Verpächters mit seinen Pächtern waren Musterverträge, die der in Norddeutschland bekannte Makler Grigo entworfen hatte und die in vielen Fällen von den Hauptzollämtern beanstandet worden waren.

Das Hauptzollamt Oldenburg hatte in diesem Fall die Milcherzeugereigenschaft der Pächter nicht anerkannt und die angeblich von den Pächtern produzierte Milch dem Verpächter im vollen Umfang zugerechnet. Dadurch waren Abgaben gegenüber dem Verpächter festgesetzt worden. Hiergegen ging der Verpächter im Klagewege vor und hatte beim Finanzgericht Hamburg Erfolg. Das Finanzgericht Hamburg hatte im Urteil vom 19.05.2005 (Az.: IV 229/04) im Grundsatz entschieden, beweispflichtig sei das Hauptzollamt dafür, dass der Verpächter nach wie vor der Milcherzeuger gewesen sei. Dieser Beweis sei dem Hauptzollamt nicht gelungen.

Der Bundesfinanzhof hob das Urteil des Finanzgerichts Hamburg auf und verwies das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht Hamburg zurück.

Der Bundesfinanzhof bestätigt zwar, dass die Feststellungslast für die Erzeugereigenschaft des Verpächters als Abgabenschuldner grundsätzlich beim Hauptzollamt liege. Wörtlich heißt es dann jedoch im Urteil weiter:

„Wer sich jedoch darauf beruft, trotz äußerlich unveränderter tatsächlicher Verhältnisse sei die Milcherzeugereigenschaft von ihm auf einen Dritten in Folge mit diesem abgeschlossener Verträge übergegangen, muss Existenz und Inhalt dieser Verträge nachweisen, wozu mitunter sogar die Vorlage schriftlich fixierter Vereinbarungen erforderlich sein kann, wenn anders Behörde oder Gericht die erforderliche Überzeugung von Existenz und Inhalt solcher Verträge nicht zu gewinnen vermögen. Dies gilt umso mehr, als es sich um Vorgänge handelt, die in der Sphäre des Milcherzeugers liegen.“

Der Bundesfinanzhof vertritt die Auffassung, dass das Finanzgericht die tatsächlichen Vorgänge auf dem gepachteten Betrieb umfassend von Amts wegen aufklären müsse und insbesondere Feststellungen darüber treffen müsse, welche Vereinbarungen genau zwischen dem Verpächter und seinen Pächtern getroffen worden sind. Aus diesen Vereinbarungen müsse in ihrer Gesamtheit geschlossen werden können, dass der Pächter tatsächlich selbstständig die Milcherzeugung auf den gepachteten Betriebsteilen betreibe. Die genaue Überprüfung der tatsächlichen Vorgänge auf dem gepachteten Betrieb sei insbesondere dann erforderlich, wenn sich auf dem verpachteten Betrieb nach außen so gut wie nichts ändere. Im entschiedenen Fall war es nämlich so, dass der Verpächter nach wie vor selbst die Kühe gemolken und versorgt hat und die Pächter nur hin und wieder auf dem Betrieb erschienen sind. In einem solchen Fall müsse der Verpächter anhand der tatsächlichen Umstände und durch Vorlage von Verträgen nachweisen, dass die Milcherzeugereigenschaft tatsächlich auf die Pächter übergegangen sei. Gegebenfalls seien auch die Pächter als Zeugen zu vernehmen.

Da dies alles nicht geschehen war, hat der Bundesfinanzhof den Prozess an das Finanzgericht Hamburg zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen.

Zum Schluss seines Urteils lässt der Bundesfinanzhof jedoch Zweifel daran erkennen, ob es überhaupt möglich ist, einen Landwirt als Milcherzeuger anzusehen, der von einem anderen Milcherzeuger dessen Stall und Herde kurzzeitig pachtet und es dem Verpächter überlässt, die Milchwirtschaft wie in der neben der Pachtzeit verbleibenden Zeit des Milchwirtschaftsjahres nach seinem Bewirtschaftungskonzept fortzusetzen, ohne dass das wirtschaftliche Risiko der Milcherzeugung auf den Pächter übergegangen sei.

Der Bundesfinanzhof erklärt hierzu, dass diese Frage letztlich wohl dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen sei. Dasselbe gelte für die von der Bundesfinanzverwaltung aufgeworfene Frage, ob ein Referenzmengeninhaber, der bisher keine Milch erzeugt habe, bei kurzzeitiger Pacht eines Milchwirtschaftsbetriebes überhaupt jemals Milcherzeuger werden könne.

Das Bundesfinanzministerium hatte nämlich (vertreten durch Dr. Busse) in dem Prozess vor dem Bundesfinanzhof ausgeführt, dass nach seiner Meinung eine Milchreferenzmenge eines Milcherzeugers nicht innerhalb von kurzer Zeit (einen Monat bzw. drei Monate) erzeugt werden dürfe. Nur eine „nachhaltige“ Milcherzeugung könne einen Landwirt zum Milcherzeuger machen.

Wir halten diese Argumentation allerdings für abwegig.

Aus dem Urteil vom 25.09.2007 sind für anhängige Abgabenverfahren zwingend folgende Schlüsse zu ziehen:

Es muss schon im Abgabenverfahren und spätestens in erster Instanz vor dem Finanzgericht ausführlich oder durch Beweisantritt vorgetragen werden, dass das wirtschaftliche Risiko und die Dispositionsbefugnis bzgl. der Milcherzeugung auf den Pächter übergegangen sind.

Bei Verträgen über kurzfristige Anpachtung von Kuh- und Stallplätzen ist möglichst darauf zu achten, dass der Pächter ein wirtschaftliches Risiko trägt und auch die Dispositionsbefugnis über die Kuhherde erhält. Anzustreben ist, dass nicht der Verpächter selbst die Kuhherde im Auftrag des Pächters versorgt. Letztlich ist jedoch ein solcher „Geschäftsbesorgungsvertrag“ mit dem Verpächter nicht unbedingt schädlich, wenn alle übrigen Kriterien für den Nachweis der Milcherzeugereigenschaft des Pächters erfüllt sind. Dies ist im Einzelnen bei der Formulierung von solchen Kuh- und Stallpachtverträgen genauestens auszuarbeiten.

Die von der Bundesfinanzverwaltung gestellte – und vom Bundesfinanzhof nicht entschiedene – Frage, ob Erzeuger im Sinne der Milchquotenregelung auch sein kann, wer nur innerhalb einer kurzen Zeit eines Jahres Milch erzeugt, ist unseres Erachtens eindeutig zu bejahen. Artikel 65c der EG-Verordnung Nr. 1234/07 des Rates vom 22.10.2007 definiert den „Erzeuger“ als einen Betriebsinhaber, „der einen Betrieb im geografischen Gebiet eines Mitgliedstaates bewirtschaftet sowie Milch erzeugt und vermarktet oder Vorbereitungen trifft, um dies in nächster Zukunft zu tun.“ Hier ist nirgendwo davon die Rede, dass die Milcherzeugung durchgängig im gesamten Jahr erfolgen müsse. Die Bundesfinanzverwaltung versucht jedoch offensichtlich wieder mit allen Mitteln, die Landwirte zu zwingen, die Quote über die Börse zu verkaufen.

Münster, 05.06.2008

Mechtild Düsing, Rechtsanwältin