Landwirtschaftsrecht / Agrarrecht

Rechtsinfo Archiv

Zurück

Landwirtschaftsrecht / Agrarrecht
Bundesverfassungsgericht stellt unsere Verfassungsbeschwerde zu!

Die von uns eingelegte Verfassungsbeschwerde eines Landwirts richtet sich gegen die Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe wegen Abgabenhinterziehung. Der Landwirt hatte die von ihm gelieferte Milch gegenüber dem Zollamt nicht korrekt erklärt und dadurch die auf die überlieferte Milchmenge zu zahlende Milchabgabe verkürzt.

Die Verfassungsbeschwerde rügt das Vorliegen einer ausreichenden Rechtsgrundlage für die Verurteilung. Es sind nach unserer Meinung die Vorschriften des Art. 80 und des Art. 103 Grundgesetz verletzt. Es fehlt nämlich die gesetzliche Vorschrift, die eine Anwendung des § 370 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (Steuerhinterziehung) auf die Hinterziehung von Milchabgaben anwendbar machen würde. Das von den Strafgerichten in Bezug genommene Marktorganisationsgesetz ist als Blankettgesetz keine ausreichende Rechtsgrundlage für eine strafrechtliche Verurteilung.

Hintergrund der Verfassungsbeschwerde sind eine große Anzahl von Strafverfahren gegen hessische und thüringische Landwirte, die vor dem Amts- und Landgericht Kassel in den letzten Jahren verhandelt worden sind. Die Landwirte hatten - in der Regel ohne dies offen zu legen - Milch auf den Namen eines anderen Landwirts geliefert, um dadurch Abgaben nach der damaligen Milch-Garantiemengen-Verordnung zu vermeiden. Nach Aufdeckung dieser Unregelmäßigkeiten wurden die Abgaben nacherhoben. Hiergegen laufen Prozesse beim Finanzgericht Kassel, in denen ebenfalls gerügt wird, dass für die Abgabenerhebung keine ausreichende Rechtsgrundlage nach Art. 80 GG vorhanden sei.

Neben der Nachforderung der Abgaben wurden jedoch auch Strafverfahren gegen die beteiligten Landwirte wegen Abgabenhinterziehung eingeleitet. Es erfolgte regelmäßig eine Verurteilung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung wegen Steuerhinterziehung.

Es ist nun damit zu rechnen, dass das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort in dieser Angelegenheit spricht.

Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (frühestens nächstes Jahr) sollten alle Landwirte gegen Abgabenbescheide sowie gegen Strafurteile wegen Abgabenhinterziehung Rechtsmittel einlegen, um die Verfahren nicht rechtskräftig werden zu lassen.

Allerdings gibt es auch die Möglichkeit, ein rechtskräftig abgeschlossenes Strafverfahren wieder aufzunehmen, falls das Bundesverfassungsgericht im Nachhinein eine Strafnorm für verfassungswidrig erklärt hat.

Münster, 27.07.2006

Mechtild Düsing, Rechtsanwältin und Notarin