Landwirtschaftsrecht / Agrarrecht

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Familienrecht
Elternunterhalt und Altenteilsvertrag

 

Bei der Übergabe eines landwirtschaftlichen Betriebes von einer Generation auf die nächste wird häufig ein lebenslanges, unentgeltliches Wohnrecht auf dem Hof nebst Pflegeverpflichtung vereinbart. Gleichwohl kommt es nicht selten vor, dass der Hofnachfolger die vereinbarte Verpflichtung wegen der medizinisch notwendigen Unterbringung der Eltern bzw. eines Elternteils in einem Pflegeheim nicht erfüllen kann. Die Unterbringung in einem Pflegeheim verursacht erhebliche Kosten. Diese können im Einzelfall bei bis zu 4.000,00 EUR im Monat liegen. Die Höhe der Kosten richtet sich in erster Linie nach dem Umfang der Hilfebedürftigkeit des pflegebedürftigen Elternteils.

 

Die Heimpflegekosten werden allerdings nur z. T. von der Pflegeversicherung getragen, so dass vielfach noch ein Betrag offen bleibt, für den zunächst das Vermögen des Pflegebedürftigen herangezogen wird. Reichen aber Sparguthaben und die eigene Rente nicht aus, um den noch fehlenden Differenzbetrag zu begleichen, so übernimmt in der Regel das Sozialamt die noch ausstehenden Kosten. Allerdings prüft das Sozialamt bei Kostenübernahme, ob der Pflegebedürftige einen Anspruch auf Zahlung von Unterhalt gegen Dritte hat. Im Rahmen dieser Prüfung kommt es zunehmend dazu, dass das Sozialamt den Wertvorteil für vertraglich gewährte Altenteilrechte in Anrechnung bringt, die es dann beim Hofnachfolger als Verpflichteten geltend macht.

 

Sofern in einem Übergabevertrag ein unentgeltliches Wohnrecht eingeräumt wurde, prüft das Sozialamt, ob der Hofnachfolger die besagte Wohnung fremdvermieten kann. Ist dies der Fall, so setzt das Sozialamt als Wertvorteil für den Hofnachfolger häufig den Betrag an, der durch die Vermietung erzielt werden kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 21.09.2001 - V ZR 14/01; Beschl. v. 23.01.2003; V ZB 48/02) muss sich der Verpflichtete allerdings nur die tatsächlich ersparten Aufwendungen anrechnen lassen, etwa Aufwendungen für Wasser, Strom und Heizung, nicht aber den Sachwert für das Wohnrecht als solches.

Entsprechend werden häufig viel zu hohe Pauschalen als Wertvorteil von den Sozialämtern angerechnet.

 

Gelegentlich vertritt das Sozialamt die Auffassung, aus einer vertraglich übernommenen Pflegeverpflichtung ergebe sich für den Hofnachfolger ein Vorteil, den dieser finanziell auszugleichen habe. Nicht selten wird aber übersehen, dass dieser Anspruch nach dem Übergabevertrag im Regelfall nur insoweit besteht, als der Pflegebedürftige noch auf dem Hof befindlich ist. In dem Moment, in dem der Pflegebedürftige in einem Pflegeheim untergebracht wird, wird der Hofnachfolger von seiner Verpflichtung frei.

 

Eine andere rechtliche Bewertung kann dann gerechtfertigt sein, wenn es sich bei dem zwischen den Generationen abgeschlossenen Vertrag um einen sogenannten Leibgedingvertrag handelt. Nach ständiger Rechtsprechung wird eine Grundstücksübertragung noch nicht allein durch eine Wohnrechtsgewährung mit Pflege- und Versorgungsverpflichtung zu einem Leibgedingvertrag. Vielmehr ist zusätzlich erforderlich, dass dem Hofnachfolger ein Gut oder Grundstück überlassen wird, kraft dessen Nutzung er sich eine eigene Existenzgrundlage verschaffen und gleichzeitig den dem Altenteil geschuldeten Unterhalt gewinnen kann. Liegt ein Leibgedingvertrag vor, so kann das Sozialamt die daraus erwachsenen Ansprüche gegen den Verpflichteten auf sich überleiten.

 

Erhält ein Hofnachfolger von der Sozialbehörde ein Schreiben, in dem er zur Erstattung der nicht gedeckten Heimpflegekosten aufgefordert wird, sollte unbedingt anwaltlicher Rat eingeholt werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass bei der Feststellung der Unterhaltsverpflichtung keine zu hohen Wertvorteile in Ansatz gebracht werden. Aber auch ohne aktuellen Anlass sollten geschlossene Hofübergabeverträge auf ihren Inhalt geprüft werden, damit diese - zur Vermeidung von unliebsamen Überraschungen - ggf. noch nachträglich angepasst bzw. nachgebessert werden können.

 

 

Münster, 11.03.2006

Dr. Rita Coenen, Rechtsanwältin