Landwirtschaftsrecht / Agrarrecht

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Landwirtschaftsrecht / Agrarrecht
Ausbaubeiträge und Landwirtschaft

Die „Zersiedelung der Landschaft“ bringt häufig für Landwirte nicht unerhebliche finanzielle Folgelasten mit sich:

Wirtschaftswege, die bislang allein der Erschließung der landwirtschaftlichen Flächen dienten, erweisen sich als zu klein, um die fort inzwischen vorhandene Wohnbebauung zu erschließen. Die Stadt beschließt also den Ausbau dieser Wirtschaftswege und zieht dann Landwirte zu Erschließungs- bzw. Ausbaubeiträgen heran, obwohl diese ihre Flächen weiterhin landwirtschaftlich nutzen. Da die Gemeinden wegen des nicht unerheblichen Kostenaufwands die Aufstellung von Bebauungsplänen scheuen, stellt sich dann die Frage, ob die landwirtschaftlichen Flächen im unbeplanten Innenbereich nach § 34 des Baugesetzbuches oder dem Außenbereich nach § 35 des Baugesetzbuches zuzurechnen sind. Sind die landwirtschaftlichen Flächen dem Außenbereich zuzurechnen, dann kommt die Erhebung von Erschließungsbeiträgen nicht in Betracht. Erschließungsbeiträge müssen nur gezahlt werden, wenn es sich um eine zum Anbau bestimmte Straße handelt. Zum Anbau bestimmte Straßen sind nur solche Straßen, die Grundstücke erschließen, die bebaut werden sollen. Es können also nur solche landwirtschaftlich genutzte Flächen herangezogen werden, die sich innerhalb eines nunmehr entstandenem Bebauungszusammenhangs befinden, dort also, wo sich – bildlich gesprochen – der Acker als Baulücke erweist.

Besonders ärgerlich:

Die Zahlung von Erschließungsbeiträgen garantiert dem Landwirt nicht, dass er für sein Grundstück später auch eine Baugenehmigung erhält, da die Baubehörden an die Feststellungen im Erschließungsbeitragsrecht nicht gebunden sind. Wird die Baugenehmigung deshalb etwa von einem Nachbar angefochten, kann es sein, dass der Landwirt zwar Erschließungsbeiträge gezahlt hat, aber sein Grundstück nicht bebauen kann.

Erhebliche Bedeutung kommt ferner der sog. „Tiefenbegrenzung“ im Übergangsbereich des Innenbereichs zum Außenbereich zu. Vielfach sehen Satzungen vor, dass nicht die gesamte Grundfläche bei der Verteilung des Erschließungsaufwands berücksichtigt wird, sondern nur eine Grundstückstiefe von 50 m. Derartige Bestimmungen sollen nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gerade im Übergangsbereich des unbeplanten Innenbereichs zum Außenbereich Anwendung finden.

Ähnliche Probleme stellen sich dann, wenn es nicht um die erstmalige Errichtung einer Straße, sondern um den Ausbau einer vorhandenen Straße geht. Auch hier stellt sich die Frage, ob das Grundstück dem Innenbereich zuzurechnen ist, also bebaut werden kann, oder ob das Grundstück dem Außenbereich zuzurechnen ist. Ist das Grundstück nicht bebaubar, dann ist es nicht gerechtfertigt, den Landwirt mit denselben Beiträgen zu belasten, wie die Eigentümer bebaubarer Grundstücke.

Deshalb kommt es sowohl im Erschließungsbeitrags- als auch im Ausbaubeitragsrecht auf die Abgrenzung des im Zusammenhang bebauten Ortsteils nach § 34 BauGB an. Die vorhandenen Gebäude müssen einen Bebauungszusammenhang ergeben und dieser Bebauungszusammenhang einen Ortsteil bilden.

Ein Bebauungszusammenhang wird durch eine aufeinander folgende Bebauung gekennzeichnet, die den Eindruck der Zusammengehörigkeit vermittelt. Hier kommt es ganz wesentlich auf die Bewertung des konkreten Einzelfalles an. Eine Straße etwa kann je nach den Umständen des Einzelfalls einen Bebauungszusammenhang herstellen oder eine trennende Funktion zwischen Innen- und Außenbereich haben. Die Grenze des Bebauungszusammenhangs verläuft regelmäßig hinter dem letzten Bebauten Grundstück bzw. bei größeren Grundstücken hinter dem letzten Baukörper, sofern nicht nach den konkreten örtlichen Verhältnissen eine anderweitige Grenzziehung die Abgrenzung vorgibt. Das wäre etwa der Fall, wenn das Baugebiet durch eine Eisenbahnlinie oder einen Fluss abgegrenzt wird. Dann kann auch ein sich an den Bebauungszusammenhang anschließendes Grundstück zum Bebauungszusammenhang gerechnet werden.

Allein ein solcher Bebauungszusammenhang reicht allerdings nicht aus, um einen Ortsteil zu bilden. Ein Ortsteil nicht vielmehr erst dann vor, wenn die vorhandene Bebauung ein „gewisses Gewicht besitzt“ und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Dabei kommt es sowohl auf die Zahl der Gebäude an als auch darauf, ob Infrastruktureinrichtungen wie etwa Geschäfte vorhanden sind. Es muss ferner eine bestimmte Siedlungsstruktur gegeben sein, die die Bebauung der bislang unbebauten Grundstücke vorgibt.

Diese im Einzelfall recht schwierigen Fälle müssen im Ausbau- und Erschließungsbeitragsrecht oft unter einem erheblichen Zeitraum gelöst werden. Der zur Klärung der Rechtsfragen erforderliche Widerspruch hat nämlich keine aufschiebende Wirkung. Hier hilft dann nur der Weg zum Verwaltungsgericht, um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid zu beantragen.

Münster, 29.09.2003

Wilhelm Achelpöhler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht