Familienrecht

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Das Bundesverfassungsgericht erweitert den Anspruch von Eltern auf Kindergeld!

Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11.01.2005 (2 BvR 167/02) zum Kindergeld können Eltern volljähriger Kinder im Einzelfall mit Nachzahlungen von mehr als 7.000 € rechnen.

Wenn sich die erwachsenen Kinder in einer Ausbildung befinden, wird die staatliche Kindergeldleistung (154 € bis zum dritten, vom vierten Kind an 179 €) noch bis zu deren 27. Lebensjahr gezahlt. Voraussetzung für die Gewährung von Kindergeld ist allerdings, dass das Jahreseinkommen der Kinder einen Grenzbetrag von derzeit 7.680 € im Jahr nicht übersteigt. In den Jahren 2002 und 2003 lag die Grenze bei 7.188 €, im Jahr 2001 bei 13.500 DM. Wird die Grenze auch nur um einen Euro überschritten, entfällt der Anspruch auf Kindergeld vollständig.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) konnten bei der Ermittlung des maßgeblichen Kindeseinkommens die vom Kind zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge (Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherungs-beiträge) nicht vom Bruttoeinkommen abgezogen werden, obwohl der Arbeitnehmeranteil an den Sozialversicherungsbeiträgen dem Kind nicht zufließt und damit nicht zur Bestreitung des Lebensunterhaltes des Kindes zur Verfügung steht.

Dieser Sichtweise, auf welche sich die Familienkassen in der Praxis beriefen, hat nunmehr das Bundesverfassungsgericht den Boden entzogen, indem es festlegt, dass die Sozialversicherungsbeiträge vom Bruttoeinkommen abzuziehen sind. Liegt das Nettoeinkommen – unter Berücksichtigung weiterer abzugsfähiger Aufwendungen, wie z. B. Ausbildungskosten des Kindes – unter dem Grenzbetrag, besteht ein Anspruch auf Kindergeld.

Künftig werden nicht nur weit mehr Familien einen Anspruch auf Kindergeld haben, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wirkt vielmehr auch in die Vergangenheit.

Durch die neue Sichtweise können viele Eltern nachträglich Kindergeld beanspruchen. Anträge auf Auszahlung von Kindergeld können noch für mindestens vier Jahre rückwirkend gestellt werden, wenn die Eltern einen Antrag bislang nicht gestellt haben, weil sie wegen der Einkünfte des Kindes davon ausgehen mussten, ihnen stehe kein Kindergeld zu.

Doch auch beim Fiskus kommen Vergünstigungen wieder in Betracht, die mit dem Anspruch auf Kindergeld zusammenhängen:

  • Kinderfreibetrag (alternativ zum Kindergeld, soweit günstiger)
  • Freibetrag für Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf
  • Haushaltsfreibetrag (bis einschließlich 2003)
  • Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (ab 2004)
  • Ausbildungsfreibetrag
  • Höhe des Eigenanteils bei den außergewöhnlichen Belastungen
  • Übertrag des Behinderten – Pauschbetrags vom Kind auf die Eltern
  • Schulgeld als Sonderausgabe
  • Kinderzulage für das selbst genutzte Eigenheim

Sofern wegen der Einkommensgrenzen kein Antrag auf Kindergeld und steuerliche Berücksichtigung gestellt worden ist, sollte dieser somit bei der Arbeitsagentur nachträglich gestellt werden. Gegen ergangene Kindergeldbescheide, in denen eine Festsetzung von Kindergeld unter Verweis auf das zu hohe Kindeseinkommen abgelehnt wird, müssen binnen eines Monats Einspruch eingelegt und der zuständigen Arbeitsagentur eine Neuberechnung der Kindeseinkünfte unter Abzug des Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitnehmeranteil) vorgelegt werden.

Münster, 17.10.2005

Dr. Rita Coenen, Rechtsanwältin